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Donnerstag, 28. März 2024
Honda Goldwing Drucken E-Mail
Geschrieben von Christian Spatt   

Heft bestellen - Honda Goldwing, der rote Faden in die Gegenwart

Navi, iPod und iPhone-Anschluss, US B-Anschluss, ABS, On-Board-Sound-System, Airbag, Kofferraum-Zentralverriegelung, Tempomat ...  Das, was hier aussieht wie die Aufpreisliste eines großen Benz oder BMW, hat einen kleinen Schönheitsfehler: Das zugehörige Fahrzeug wird mit nur 2 Rädern ausgeliefert.

Text: Christian Spatt
Photos: Christian Spatt, Honda

 

ImageDoch am Anfang war alles ganz anders: Entwickelt wurde die erste Goldwing als Antwort auf die Z1 von Kawasaki (900 Super 4), die 1972 in Köln vorgestellt wurde. Die Z1 durchbrach das Gentlemans Agreement der japanischen Hersteller, keine Motorräder mit mehr als 750 ccm Hubraum zu konstruieren, was Honda unter Zugzwang brachte. Der erste Prototyp AOK war mit einem 1500-cm³-Boxermotor ausgestattet, dieser jedoch zu groß für den Prototypen.  Nichtsdestotrotz wurden wichtige Erkenntnisse gewonnen.

1974 - 1980, GL 1000 Gold Wing. 1974 wurde also die erste Gold Wing vorgestellt. Ein Supersporttourer, in der ersten Version völlig unverbaut, flüssiggekühlter 4Zylinder-Boxer- Motor, 1000 cm³ Hubraum, 82 PS. Der Motor war für damalige Verhältnisse eine völlige Neuheit im Motorradbau, beispielsweise die Idee des Zahnriementriebs für die oben liegenden Nockenwellen war dem Automotorbau geschuldet.
Die Goldwing war jedenfalls das erste japanische Motorrad mit Kardanantrieb. Gut von oben zu sehen waren die längs versetzten Zylinder 1 und 3 versus 2 und 4. Allerdings stellten sich bald nach der Präsentation unerwartete Probleme ein.  Die Konstruktion war eher auf der instabilen Seite, was vermehrt zu Unfällen führte. Daran schlossen sich natürlich in weiterer Folge auch Gerichtsverfahren an. Nicht ganz geklärt ist allerdings, ob es sich um einen grundsätzlichen Konstruktionsmangel oder um einen falsch konstruierte Windabweiser eines Zulieferers als Ursache handelte. Es überrascht also nicht, dass das Image der Gold Wing bald am Boden war. Die Reaktion erfolgte prompt und in einer unerwarteten Art: Neben der Abfederung der schlimmsten Konstruktionsmängel verschob man einfach die Zielgruppe. Aus dem Supersporttourer wurde der Luxustourer, das Reisemotorrad mit der elendslangen Ausstattungsliste.
ImageUm das Tempo 200, das möglich war, auch tatsächlich zu erreichen, begannen Besitzer der frühen Versionen Verkleidungen zu basteln, erst später mit der GL 1100 (1979) wurden von Honda Zubehörsätze dazu angeboten. Bereits 1976 gab es die erste Sonderauflage, GL 1000 Gold Wing LT D.  Diese Version unterschied sich vor allem durch Sonderlackierung, Zierstreifen, Sonderaufkleber und (ganz wichtig und hübsch anzusehen) "goldene" Felgen. Relativ bald begann mit der Neuausrichtung von Image und Charakter der Gold Wing sich der Hauptmarkt in die US A zu verlagern. Dem Rechnung tragend wurde in den späten Siebzigern eine Produktionsstätte in Marysville, Ohio eröffnet. 1979 ging die erste Gold Wing HAM (Honda of America Manufacturing) vom Band. Man ist geneigt zu sagen, dass die Gold Wing damit ihre Heimat gefunden hat.

1980 - 1983 GL 1100. Immer noch 4 Zylinder, aber der Hubraum wurde auf 1100 cm³ erweitert (bei sonst baugleichem Motor). Dazu kamen Änderungen am Fahrwerk (Luftunterstützung) und am wichtigsten: Offizielles Zubehör wie Windschutzscheibe, Koffer für die Interstate.  Die Goldwing hat damit ihre Form gefunden.  Das Grundgerüst war aber mehr oder weniger baugleich mit der GL 1000, sehr viele Teile waren über die GL 1000 und GL 1100 kompatibel. Am Ende standen in diesem Zeitraum 3 Varianten, die herkömmliche, unverbaute Goldwing, die Interstate, also eine verbaute Version, und die Aspencade, eine Interstate mit Gimmics, wenn man so will. Bei der Aspencade war erstmals Radio (Standard) und CB-Funk (optional) erhältlich. Dazu war ein Kompressor zum Einstellen der Federbeine und des Reifendrucks verfügbar. Eher etwas ungewöhnlich war von Anfang an der Aufbau:
im Tank sind die Elektrik, die Lichtmaschine und die Sicherungen untergebracht. Der tatsächliche Tank befand sich hingegen unter dem Sitz. 1981 wurde die Produktion endgültig von Japan nach Ohio verlegt.

Image1984 - 1988 GL 1200 DX. Wir nähern uns dem Ende der Ära der vierzylindrigen Goldwing.  Neuer Motor, längerer Rahmen, strafferes Fahrwerk. Mit 333 kg war das Fahrverhalten nur mehr halb teuflisch, oder zumindest hat sich Image, Zielgruppe und Anspruchshaltung soweit verändert, dass die Anfangsthemen längst keine mehr waren. Verbau und sonstige Anbauten waren jetzt bereits soweit integriert, dass man nicht mehr Anbauten vor sich hatte. Mit der GL 1200 stirbt die Standard - Goldwing, 1985 ist das letzte Jahr, in der die unverbaute Goldwing ausgeliefert wird. Das hatte natürlich Folgen für die bis dahin prosperierende Zulieferindustrie, der eine oder andere Zulieferer geriet darob in wirtschaftliche Turbulenzen.

1988 - 2001 GL 1500 K. Im Jahr 1988 wurde also der große Sprung gemacht. 6 Zylinder. 100 PS. Beinahe 400 kg (394 um genau zu sein). Die Entwicklung vom Sportgerät zum Heimentertainment-Center schien aufs erste abgeschlossen.  Der Präsentation ging eine umfangreiche Entwicklungsphase mit mehr als 50 Prototypen und 20 verschiedenen Motoren voraus. Neben den augenscheinlichen Änderungen am Motor wurde auch auf elektronische Steuerung der Zündung umgestellt. Die Sonderedition GL1500 SE (Special Edition) hat als Ausstattungsdetails Dinge wie einen Tempomaten, Radio mit Kassettenlaufwerk, Intercom mit Goldwing-CBFunk und eine erste Form von "adaptivem" Kurvenlicht.  Allerdings reagierte das Licht nicht auf Lenkeinschlag, sondern auf Blinkerbetätigung.  Ebenfalls neu war der Retourgang, der vor allem für Parkmanöver eingebaut wurde. Dieser ist aber elektrisch vom Starter betrieben.

Image2001 - heute GL 1800.
Aus den ca. 100 PS wurden 120 PS, die auch nicht falsch sind, gilt es doch, im Minimum 360 kg zu bewegen (Das sind aber rund 20 Kilo weniger als das Vorgängermodell auf die Waage brachte, erreicht wurde dies durch leichtere Materialien in der Rahmenkonstruktion).  Seit 2001 steht die Goldwing so da, wie sie auch heute noch im Laden zu bekommen ist, Änderungen seither sind kosmetische Anspitzungen und Ausstattungsdetails. Als wesentlichstes "Detail" sei hier der Airbag erwähnt, der seit 2006 verfügbar ist. Seit 2001 ist ABS zumindest optional erhältlich. Dazu kommen technische Änderungen wie das Ersetzen der bisherigen Vergaser durch Einspritzanlagen und auch Verbesserungen in der Aerodynamik der Verkleidung. Mit 2010 wurden die letzten amerikanischen Goldwings gebaut, ab 2012 ist die Produktion wieder in Japan angesiedelt.
Sitzt man nun drauf auf einer Goldwing, überrascht einmal als erstes die unerwartet gute Balancierbarkeit.  Man erwartet doch den Kampf gegen kippende Wohnzimmer. Aber auch die Wendigkeit ist überraschend gut. Es ist natürlich eine Goldwing kein Rennsportler, das merkt man auch in der entschleunigten Beschleunigung.  Für ordentliches Tempo auf Autobahnen reicht es aber allemal. Vom Grundcharakter ist man aber auf Landstraßen am besten aufgehoben.  Diese dürfen durchaus kurvig und bergig sein. Wie oben beschrieben ist die überraschende Wendigkeit auf herkömmlichen Bergstraßen ein Asset, und Serpentinen am letzten Anschlag zu fahren will ein bereits erzogener Goldwing-Fahrer so oder so nicht mehr.

Honda Valkyrie. Von 1997 bis 2003 wurde die Valkyrie als Hommage an die ursprüngliche, unverbaute Goldwing gebaut. Hierbei handelt es sich um einen flachen 6-Zylinder mit 1500 cm³ Hubraum. 2003 wurde ein Sondermodell namens Rune präsentiert, das über 6 Zylinder mit 1832 cm³ verfügte. Optisch war die Rune eine doch deutliche Weiterentwicklung der Valkyrie.  
 
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