Home arrow Archiv arrow AC 2013/03 arrow Mercury Monterey 1959  
Donnerstag, 28. März 2024
Mercury Monterey 1959 Drucken E-Mail
Geschrieben von Richard Röder, Ludwig Vysocan   

Heft bestellen - Mercury Monterey 1959 - "Emmas" langer Weg von Minnesota nach Bayern

Das Staunen nimmt kein Ende, wenn ein US-Auto-Liebhaber mit einem knapp zwei Tonnen schweren Mercury Monterey Baujahr 1959, auch liebevoll "Emma" genannt durch die Straßen rollt. Ein Auto mit viel Mechanik, viel Chrom und jede Menge mehr Blech.

Text & Photos: Richard Röder, Ludwig Vysocan

 

ImageAmerikanische Oldtimer sind selten, aber auch gerne gesehen, zeigen sie doch eine ganz andere automobile Kultur als jene der uns vertrauten Alten Welt. Zu Beginn war es eine Fernbeziehung wie es im Computerzeitalter halt so ist. "Ich kannte das Auto nur aus dem Internet, aber die Kontaktanzeige weckte mein Interesse.  Ford Mercury Monterey, 1959. One Owner, excellent condition, 75.000 miles, 3700 Dollar.  Die Beschreibung machte mich hellhörig." Vorsicht ist allerdings die Mutter aller Porzellankisten, hatte doch US -Auto-Liebhaber und Kfz-Restaurator Andreas Sinnhuber aus Schermbeck in Nordrhein-Westfalen bei einem Thunderbird Lehrgeld bezahlt, der sich nach und nach als Leiche auf vier Rädern entpuppte.

Im Auftrag der 96jährigen Mutter "Emma". Bei dem im Web angebotenen Mercury Monterey schien die Gefahr eines Flops aber fast ausgeschlossen.  Vierzig Jahre alt und nur 75.000 Meilen, der Verkäufer ein deutschstämmiger Röntgenarzt aus Minneapolis. Der verkaufte das Schmuckstück im Auftrag seiner 96jährigen Mutter Emma, die das Auto 1959 bekommen hatte. Sinnhuber ließ sich weitere Informationen über das betagte Auto per Video zustellen auf dem der Sohnemann stolz Details und Zustand des Monterey präsentierte. Die Funktionstüchtigkeit vom Motor über Radio bis zur Scheibenwaschanlage wurde vorgeführt.

James Dean im Film "Denn sie wissen nicht was sie tun".
Sinnhuber war begeistert und seine Nationalität war bei den Verhandlungen auch kein Nachteil. Die Verkäufer hießen Kletschka, hatten deutsche Vorfahren und waren begeistert bei dem Gedanken, dass ihr geliebtes Auto in das Land ihrer Vorfahren übersiedeln würde.  Sinnhuber musste allerdings notariell bestätigen, dass er aus dem Auto keinen sogenannten "Hot Rod" machen würde. Ein Schicksal, das vielen Mercurys widerfahren war. James Dean hatte so einen im Film "Denn sie wissen nicht was sie tun" über die Straßen gejagt. Da gab’s für die autoverrückte US -Basteljugend damals kein Halten mehr. Viele Mercurys landeten in der Bastel-Werkstätte und später am Autofriedhof.  Monate vergingen, bis ein Tieflader mit einer beträchtlichen Menge Auto vor Sinnhubers Tür stand. "So ein Auto kann man sich nur leisten, wenn man auf dem Land wohnt", beschreibt er die Ausmaße des Straßenkreuzers, "in eine städtische Normgarage passen Autos dieser Größe nicht wirklich hinein." Zwei Meter breit und 5,60 Meter lang.

ImageEin ökonomisches Einsteigermodell.
Ab 1959, dem Jahr in dem unser Monterey, der mittlerweile bei einem Autofan im bayerischen Otterfing in der Garage steht, vom Band lief, wurden die Autos, an amerikanischen Maßstäben gemessen, schlichter und kleiner. Im Ford-Konzern war der Monterey lediglich in der gehobenen Mittelklasse angesiedelt, als ökonomisches Einsteigermodell.  So die Philosophie der Ford-Herren. Im ehemaligen Kuhstall eines alten Bauernhauses ging es ab 1999 an die Restaurierung des betagten Amis. Und da fand sich im Handschuhfach ein Andenken des video-begeisterten Vorbesitzers.  Dr. Kletschka filmte die Verladung des Wagens. Zum Abschied beugt sich seine 96jährige Mutter Emma über das Auto und küsst die Motorhaube. Fortan hieß der Monterey nur noch "Emma". Bis heute.

Sand und Schlamm von 40 Jahren. Und "Emma" war tatsächlich in einem sehr ordentlichen Zustand, wie sich bei der Demontage heraus stellte. "Zwar klebte in allen Ecken und Fugen Sand und Schlamm von 40 Jahren, darunter war aber nur Flugrost. Das Auto kommt aus einer Gegend, in der es kein Salz auf den Straßen gab.  Der Wagen war so gut beisammen, dass bis heute die Kreidemarkierungen der Arbeiter aus dem Werk in Dearborn an der Spritzwand zu sehen sind" sagt der 43jährige Westfale. Die Karosserie wurde mit dem amerikanischen Wundermittel POR -15 behandelt, was Blech versiegelt und auch gegen Rost verwendet werden kann. Technik und die Motoren dieser Autos sind millionenfach bewährt und praktisch nicht umzubringen.  Doch wehe, wenn Karosserie- oder Zierteile kaputt gehen, da wird’s teuer. Da muss man sich schon mal in den US A umschauen, um Originalteile zu bekommen. Allerdings ist ein Mercury auch drüben ein Spezialfall.

ImageEine wahre Fundgrube in Norway. Was hier zu Lande umso mehr gilt. "Diese Marke ist bei uns nicht wirklich bekannt. In Norwegen ist das anders, da gibt es den rührigen "Mercury Club of Norway", für mitteleuropäische Mercury-Liebhaber ist dieser Club ein Muss und eine wahre Fundgrube, ohne Kontakte dorthin geht es nicht", sagt Sinnhuber, der mittlerweile selbst unter die Teile-Händler gegangen ist. Ein echter Glücksgriff war auch der Spezialist, der sich den über zwei Meter langen, voluminösen Stoßstangen widmete. "Der Mann schickt die Dinger nach Amerika, wo es Firmen gibt, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als Autoteile zu verchromen.  Die tun das vergleichsweise günstig.  Die beiden Emma-Bumper schlugen sich mit umgerechnet schlanken 1.000 Euro zu Buche".

Es waren einige Quadratmeter Arbeit. Der übrige Zierrat, von dem der Monterey reichlich hat, begnügte sich mit einer Politur oder wurde durch Neuteile ersetzt." so Sinnhuber. Ein Kapitel für sich waren die Lackiervorbereitungen.  Das Auto ist so groß, dass die Schleifarbeiten kein Ende zu nehmen schienen. Es sind einige Quadratmeter Arbeit, aber die kommen einem wie ein Hektar vor. Der Originalfarbton Silver- Beige-Metallic, in Wahrheit ein schriller Rosé- Metallic-Ton, wurde anhand alter Farbkarten nachgemischt und im modernen Zweischicht-Verfahren aufgebracht. Eine Arbeit, bei der die breitflächigen, bis ins Dach reichenden Panoramascheiben nicht ausgebaut werden mussten.  1959 waren das die größten Scheiben, die bislang in einem Serien-Pkw verbaut wurden.  Nicht daran zu denken, wenn die kaputt gehen.  Diese Fensterflächen im Cinemascope-Format waren damals ein gewichtiges Verkaufsargument.  Mit "Roominess" - Geräumigkeit - sollten Mercury’s 1959er-Modelle die Konkurrenz ausstechen.

ImageEin Wohnzimmer auf vier Rädern.
Was aber nicht wirklich gelang. Lediglich 43.000 Autos wurden verkauft. Wie auch immer, die Geräumigkeit dieses Autos ist überwältigend. Unendliche Weiten tun sich auf den durchgehenden Sitzbänken auf. Das bizarr-kitschige, sich auf mehrere Ebenen verteilende Armaturenbrett scheint am Horizont zu liegen. Ein Wohnzimmer auf vier Rädern. "Nur der Teppich und der Bezug des Cockpits sind neu" erklärt der Restaurator.  "Das sind die Vorteile bei Autos aus den nördlichen Bundesstaaten. Da ist die Sonneneinstrahlung nicht so groß. Sitze, Türverkleidung und Dachhimmel, alles noch makellos und original von 1959. Nur die elektrische Uhr und das Mittelwellenradio mussten repariert werden." Letzteres war zusammen mit der Merc-O-Matic-Zweigangautomatik der einzige Luxus den Oma Emma ihrem Monterey gönnte.

Klein, zart, fast zerbrechlich.
Die alte Dame hatte, bei allem Respekt, etwa die Statur eines Parkometers. Klein, zart, fast zerbrechlich. Wie sie diesen Kreuzer ohne Servohilfen durch die Jahre gesteuert hat bleibt ihr Geheimnis. "Der Monterey war 1959 mit seinem 5,1-Liter-V8-Motor und 185 SAE-PS die günstigste Einstiegsvariante seiner Zeit. Etwa die Hälfte der Pferdestärken gingen allerdings in den Wandler der Automatik" gibt der Westfälische Autofreak zu. "Einzige Schwachstelle sind die Kipphebelwellen, die oft zu wenig Öl bekommen. Und weil sie früher einfach ausgetauscht wurden, sind sie heute sehr selten und begehrt." Und der Verbrauch? Der Monterey braucht mit der werksmäßigen "Holley-Gasfabrik" so um die 16 Liter. Das ist bei einem über 50 Jahre alten Zweitonnen-Auto höchst moderat - freilich bei defensiver Fahrweise. Vier Einkreis-Trommelbremsen ohne Servo-Unterstützung haben da auch eine durchaus erzieherische Wirkung.  "Zwei Jahre hat die Restaurierung gedauert.  Ich hab nie nachgerechnet, was ich ausgegeben habe, aber in den US A hätte der Monterey heute einen Wert von etwa 20.000 Dollar" sagt Sinnhuber, der Emma niemals hergeben wollte und inzwischen doch verkauft hat. Seit zehn Jahren gehört dieses Schmuckstück Gerold Röder, der seiner großen automobilen Liebe eine eigene Homepage widmet. Und so steht Emma wieder dort, wo Sinnhuber sie einst fand: im Internet.  Zu sehen unter www.59mercury.com
 
< voriger Eintrag   weiter >