Home arrow Archiv arrow AC 2013/03 arrow Feines Reisen mit feinen Autos  
Donnerstag, 25. April 2024
Feines Reisen mit feinen Autos Drucken E-Mail
Geschrieben von Wolfgang M. Buchta   

Heft bestellen - Feines Reisen mit feinen Autos - Wind, Sand und Mehr

Wollt ihr, so fragte Ingrid vor rund einem halben Jahr, mit mir die Route 66 in L.A. fahren? Route 66 klingt gut, aber ist das nicht etwas weit weg, und die Route 66 endet doch in L.A., das dürfte also eher eine kurze Fahrt sein ...
Wolfgang und Ulli Buchta sind die Route 66 gefahren und haben dabei fleißig photographiert ...

 

ImageAufmerksame Leser erinnern sich vielleicht an Ingrid Hofmeister. Dies ist die nette Dame, die eine überbordende Begeisterung für Umbrien an den Tag legt und wunderbare Reisen durch Umbrien und Toskana - siehe Austro Classic 5/2012 p. 64 - organisiert. Ingrid stammt aus Aurich in Ostfriesland und ist von Ihrer Heimat genauso begeistert wie von der Toskana, und kennt sich dort auch entsprechend aus. So lag die Idee - mitdenkenden Lesern wird vielleicht allmählich dämmern, dass L. A. vielleicht doch nicht für "Los Angeles" sondern für "Landkreis Aurich" steht ... - nahe, auch dort Reisen zu organisieren zu organisieren - gemeinsam mit Tourguide und Ostfriesland-Kenner Kalle Altmann ...

Nordsee

Nun, wir waren bald überredet und statt Flugreise stand eine Bahnreise - Autoreisezug Wien-Hamburg - und eine rund zweieinhalbstündige Autofahrt am Programm, ehe wir im "Wellnessund Gartenhotel Köhlers Forsthaus" in Aurich, der "heimlichen Hauptstadt Ostfrieslands", eintrafen.
Friesland ist ein uraltes Kulturland an der Nordsee, das heute zum Teil in den Niederlanden und zum Teil in Deutschland liegt, und die "Sieben Seelanden" waren ein Bund selbständiger Landgemeinden, deren - bereits im Mittelalter - demokratische gewählte Häuptlinge, die "Hovedlinge", sich am "Upstalsboom" bei Aurich alljährlich am Dienstag nach Pfingsten zur Beratung trafen, denn die Deiche - länger als die chinesische Mauer - die das tief liegende Land gegen die rauhe Nordsee schützen, waren einst (und sind es bis heute) eine gewaltige Gemeinschaftsaufgabe ... Handel, die fruchtbaren Marschböden und der Fischfang machen Friesland zu einem reichen Land und die Spuren der regen Bautätigkeit kann man bis heute bewundern.  "Dank" des sandigen, weichen Bodens steht der "schiefste" Turm übrigens nicht in Pisa, sondern in Ostfriesland, und die meisten Kirchtürme stehen vom Kirchenschiff getrennt, damit das Geläute der Glocken schlimmstenfalls den Turm, aber nicht die ganze Kirche zum Einsturz bringt ...
ImageIm Laufe der Jahrhunderte wurden aus den Häusern der Häuptlinge richtige Burgen, und wenn man mit den richtigen Führern unterwegs ist, hat man sogar Gelegenheit die Osterburg zu Groothusen auch von innen zu besichtigen.  Apropos alt, in der Kirche von Rysum findet sich die älteste bespielbare und originale Orgel Nordeuropas, die 1457 von Meister Harmannus aus Groningen erbaut wurde.
Rysum ist ein sogenanntes "Warftendorf" - auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel - Stichwort: Flut! - liegt die Kirche und kreisförmig gruppieren sich die Häuser darum, darunter eine Windmühle, die heute ein kleines Museum und sogar Gästezimmer beherbergt. In der Nähe der Mühle bietet in einem denkmalgeschützten "Gulf" (= Scheune) das "Landhaus HC Rysumer Plaats" lokale Köstlichkeiten an. Um Denkmalschutz und neuzeitliche Hygiene- und Brandschutzvorschriften in Einklang zu bringen, wurde ein Glashaus in das historische Gebäude gesetzt. Und wenn man mit den richtigen Begleitern kommt, gibt‘s sogar am Ruhetag leckere Köstlichkeiten ...

Automobil-Spielzeug-Museum-Nordsee
Unsere freundlichen Tour-Guides wissen, was uns so interessiert, so darf auch ein Besuch im Automobil- & Spielzeugmuseum Nordsee nicht fehlen. Das Eingangsportal aus vier kompletten Porsche 924 wird gar manchem Enthusiasten erschaudern lassen, aber das 2.000 m2 große Museum ist auf jeden Fall einen Besuch wert.  In malerischer An-, manche würden vielleicht sagen Unordnung, sind 150 Autos und Motorräder arrangiert und garniert ist das Ganze mit Spielzeug, Werbematerial, Maritimausstellung, 40 Jahre DDR, ...

Ostsee

ImageUnd weil wir, so sprach der Autor dieser Zeilen, schon einmal dort sind, dann fahren wir schnell auch einmal ins Museum in Peenemünde, das ist ja auch "irgendwo dort oben". Dass die Strecke Aurich-Peenemünde immerhin 550 km misst, das war dem klugen Herrn wohl entgangen ...  Wie auch immer, es war die lange Fahrt wert!
Am malerischen Hafen der alten Hansestadt Wismar lockt der Räucherfisch direkt von Räucherschiff, und in der Altstadt lockt das Restaurant "Alter Schwede" in einem Lagerhaus aus dem Jahre 1380. Der Name erinnert daran, dass Wismar 1648 im Westfälischen Frieden, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, Schweden zuerkannt wurde.
Aber Wismar hat nicht nur Kulinarik zu bieten.  Das Museum "phanTECHNIKUM" präsentiert "Phantastische Ideen aus Technik und Natur".  Und wenn man Glück hat, ist das "phanTECHNIKUM" Ausgangspunkt für eine Oldtimerrallye, die einen guten Querschnitt durch die ehemals Ostdeutsche Automobilproduktion bietet.
Von Stralsund führt eine Brücke auf Deutschlands größte Insel Rügen, und in Stralsund liegt auch Deutschlands wohl berühmtestes Segelschiff, die "Gorch Fock" als Museumsschiff vor Anker. Auf Rügen liegt nicht nur das ehrwürdige Ostseebad Binz, komplett mit wunderbar renovierten weißen Villen, Strandkörben und "Fisch auf die Hand" am Strand.
Nördlich von Binz beim Örtchen Prora befindet sich das vielleicht gigantomanischste Bau-Projekt des Dritten Reichs. Das "Seebad der 20.000" war als gigantische Hotelanlage - acht Blöcke von je 450 m Länge - geplant und sollte im Rahmen der NS-Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" 20.000 "Volksgenossen" Urlaub am Ostseestrand ermöglichen.
ImageDas Projekt wurde nie fertig und ein Weltkrieg, die russischen Besatzungstruppen und 40 Jahre DDR waren der Baussubstanz nicht gerade zuträglich.  Teile sind eingestürzt, Teile stehen mit eingeschlagenen Fenstern und warten auf bessere Zeiten und ein (kleiner) Teil dient tadellos restauriert als Jugendherberge. Darüberhinaus beherbergt Prora und die unmittelbare Umgebung gleich einige Museen, die sich mit Technik resp.  der Geschichte des Baus beschäftigen.  Aber eigentlich, so hatte doch der Autor dieser Zeilen angekündigt, wollten wir ja noch etwas weiter östlich, nach Peenemünde, wo einst die ersten Raketen in den Himmel über der Ostsee stiegen. Und das ist, wie wir ja schon wissen, "eh alles irgendwo dort oben"... Peenemünde liegt auf Usedom, der zweitgrößten Insel Deutschlands.  Die beiden Inseln sind zwar fast benachbart, die Fahrt über das Festland zieht sich, aber wir wissen ja bereits, dass "eh alles nahe besammen liegt".
Im ehemaligen Kraftwerk der Heeresversuchsanstalt Peenemünde aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt eine Ausstellung auf 5.000 m2 anhand von Dokumenten, Modellen und Originalobjekten die Geschichte des einstigen Hochtechnologiezentrums in seiner vollen Zwiespältigkeit - Hochtechnologie und "der Traum vom Weltall" einerseits, und die Schicksale der Zwangsarbeiter andererseits.

ImageImage
 
< voriger Eintrag   weiter >