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Samstag, 20. April 2024
Once Upon a Time in the West … Drucken E-Mail
Geschrieben von Peter Ranner   

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Gerade überqueren wir die Golden Gate Bridge in Richtung Norden, im Rückspiegel  sehe ich die zwei Scheinwerfer der Harleys meiner Freunde und als wir zu Dritt auf den Pacific Coast Highway einbiegen denke ich bei mir: Das ist es jetzt also, unser großes Abenteuer.

Text & Photos: Peter Ranner

 

Schon lange wollten wir wieder eine längere Tour machen, so wie früher, zwei, drei Wochen auf dem Motorrad, und immer war die Idee im Hinterkopf, mit der Harley in Amerika zu fahren. Letztes Jahr wurden zwei von uns fünfzig, ein guter Grund es jetzt zu tun statt nur davon zu träumen. Ein Termin wurde gefunden, gar nicht so einfach bei drei Leuten in unterschiedlichen Berufen, und auch unsere Frauen gaben uns grünes Licht. Flüge wurden gebucht, eine ungefähre Route wurde beschlossen und Ende August ist es soweit.
Erst gestern sind wir in San Francisco angekommen, nach einer Nacht im Hotel fahren wir mit dem Taxi zur Eagle Rider Vermietstation und nach einigen Formalitäten übernehmen wir unsere Maschinen, zwei Harley Davidson Electra Glide und eine Heritage Softail. Fünfzehn Tage werden sie uns gehören und im Sattel der schweren Maschinen wollen wir Amerika erleben, so wie wir uns das vorstellen, mit allen Klischees die dazugehören.


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Von San Francisco geht es zunächst nach Norden, der Highway 1 führt mit unzähligen Kurven immer entlang der Pazifikküste, eine gute Gelegenheit, uns an die Maschinen zu gewöhnen. Ich denke an die vielen Kilometer die vor uns liegen, ich hoffe dass es nicht zu regnen beginnt, über dem Pazifik hängen heute graue Wolken und ich höre auf den Klang des V-Twins, der mich die nächsten zwei Wochen begleiten wird.


Wir bleiben an einem Aussichtspunkt stehen, Zeit für ein erstes Foto von der grandiosen Pazifikküste und während wir noch schauen rollt eine Yamaha herein, ein junger Mann mit seiner Freundin steigt ab, als er hört dass wir nach Norden wollen zeigt er uns auf der Karte eine Straße, die wir unbedingt fahren sollen. Kurven, wie geschaffen für Motorräder gäbe es da, und wenig Verkehr, und überhaupt, Nordkalifornien ist ein Traum auf zwei Rädern, so schwärmt er. Seine Begleiterin macht sich offenbar Sorgen um uns ältere Männer. Ob wir denn auch erfahrene Motorradfahrer seien fragt sie, die Straßen da oben im Norden sind oft ganz schön schmal. Wir beruhigen die junge Dame, haben wir doch schon unzählige Pässe in Europa bezwungen, das sollte auch für den kalifornischen Norden genügen.


Wir fahren noch ein Stück und als es dunkel wird suchen wir uns ein Hotel für die Nacht. Wir haben uns entschlossen keine Quartiere vorab zu buchen weil wir uns nicht festlegen wollten, wann wir wo sein müssen. Das ist in Amerika kein Problem, die Motels sind meist zahlreich, nur an Wochenenden in größeren Städten empfiehlt es sich, ein oder zwei Tage vorher telefonisch zu reservieren.


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Am nächsten Tag frühstücken wir in Mendocino und fahren dann durch den Redwoods State Park, wo wir die Mammutbäume bestaunen. Zwischen solchen Baumriesen wurden die Szenen von Star Wars gedreht, die auf dem Waldmond Endor spielen und bis heute glauben manche von uns, zwischen den Bäumen Sturmtruppler auf fliegenden Motorrädern gesehen zu haben. Es könnte aber auch an der Hitze liegen, denn inzwischen ist der Himmel blau und wolkenlos, so wie es in Kalifornien sein soll.
Am Nachmittag kommen wir nach Ferndale, einer verschlafenen Kleinstadt, in der die Zeit scheinbar stehen geblieben ist. Die Hauptstraße mit gut erhaltenen Häusern wie aus einem alten Film, gemütliche Geschäfte, eine Werkstatt, eine Feuerwache, eine Kirche und natürlich das Hotel, alles ist an seinem Platz. Ein VW Käfer parkt wie selbstverständlich vor dem Postamt. Städte wie diese werden wir noch viele sehen, es ist ruhiger und beschaulicher hier im Norden Kaliforniens, kein Vergleich mit dem Küstenabschnitt zwischen San Francisco und Los Angeles im Süden. Uns ist das nur recht, wir wollen es ja auch gemütlich angehen und sehen, was es hier zu entdecken gibt, da könnte doch irgendwo auch ein interessanter Oldtimer versteckt sein? Und tatsächlich, am Hof der Werkstatt werden wir fündig, ein Studebaker President steht da, nicht ganz im Topzustand, aber deswegen nicht minder imposant.
Von Ferndale ist es nur noch ein Katzensprung nach Eureka, bekannt durch seine Altstadt mit einigen viktorianischen Gebäuden. Hier verlassen wir den Highway 101, wir wenden uns nach Nordosten, weg vom Pazifik, hinein in die unendlichen Wälder im Norden Kaliforniens. Was jetzt kommt ist für Motorradfahrer so etwas wie ein Geheimtipp. Schon recht bald nachdem wir nach Osten abgebogen sind steigt der gut ausgebaute Highway 299 langsam an, in weiten Kurven geht es ins Landesinnere. Wir erreichen Willow Creek wo wir tanken und Wasser kaufen, inzwischen ist es ziemlich heiß. Von Willow Creek folgen wir immer dem Klamath River und auf den nächsten 240 Kilometern gibt es keine Ampeln, fast keinen Verkehr und kaum Siedlungen. Was es gibt ist ein endloser Wald und unendlich viele Kurven. Die Weite des Landes wird einem hier so richtig bewusst. Hie und da begegnet uns ein Holzlaster und manchmal ein Pick-Up, mächtiger und höher als anderswo.


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Die Einsamkeit der Wälder ist schön aber auch gefährlich. Durch die Trockenheit sind Waldbrände an der Tagesordnung, immer wieder sehen wir die Fahrzeuge der Firefighter im Wald, wir fahren an abgebrannten Waldstücken vorbei und über der ganzen Szene liegt Rauch, fast wie Nebel. Wir freuen uns als wir nach der Fahrt durch die brennenden Wälder eine Siedlung mit dem vielversprechenden Namen Happy Camp erreichen. Umso größer ist die Verwunderung als wir feststellen dass das vermeintliche Camperparadies gerade aus ein paar Häusern besteht, einem Campingplatz und nur zwei oder drei Geschäften. Als wir fragen wo es hier etwas zu trinken gibt werden wir in eines davon geschickt, offenbar eine Kombination aus Gemischtwarenhandel, Versammlungszentrale und Kaffeehaus. Auf einem Tisch zwischen den Regalen liegen Pläne mit den eingezeichneten Brandherden in der Nähe, für den Abend ist eine Versammlung angekündigt, bei der die Feuerwehrleute die aktuelle Lage mit der Bevölkerung besprechen werden.


Eine ältere Lady begrüßt uns freundlich, und während sie uns drei Eiskaffee zubereitet erklärt sie, dass die Lage sich etwas entspannt hat, der Wind ist jetzt schwächer und hat sich gedreht, die unmittelbare Gefahr sei vorbei. Für die Bewohner hier ist es offenbar nichts Besonderes, sie sind es gewohnt mit der ständigen Brandgefahr zu leben.


Schon bald überqueren wir am Oregon Pass die Grenze zwischen Kalifornien und Oregon und sind eigentlich recht froh in Ashland die Zivilisation wieder zu erreichen. In den nächsten Tagen halten wir uns ziemlich genau nach Norden, vorbei am spektakulärem Crater Lake, vor allem berühmt durch seine unglaubliche Farbe und Klarheit.


Auf unserem Weg nach Portland kommen wir durch McMinnville,  bemerkenswert wegen des Evergreen Aviation and Space Museums (www.evergreenmuseum.org ). Neben zahlreichen Exponaten aus allen Epochen der Luftfahrt ist ein besonderes, ein einmaliges Flugzeug der Grund für unseren Besuch, nämlich ein acht-motoriges Wasserflugzeug.


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Wer „The Aviator“ mit Leonardo DiCaprio als exzentrischer Millionär und Flugpionier Howard Hughes gesehen hat, der weiß vermutlich schon wovon die Rede ist, von der „Spruce Goose“, der Fichtengans. 95% dieses riesigen Flugzeuges wurden nur aus Holz gebaut, beim Baubeginn 1942 während des zweiten Weltkrieges war Metall und Aluminium knapp. Mit ihren acht Motoren und einer Spannweite von 98 Metern war sie wahrhaft gigantisch, bis heute ist sie das größte je gebaute Flugzeug bezogen auf die Spannweite, sie übertrifft sogar den Airbus A380 um 18 Meter.


Viele Experten hatten prophezeit, dass sie entweder nie abheben oder im Flug zerbrechen wird.  Howard Hughes selbst saß am Steuer als der gewaltige Vogel am 2.November 1947 allen Unkenrufen zum Trotz tatsächlich abhob. Der Flug in 20 Meter Höhe dauerte zwar nur knapp eine Minute, aber er hatte es allen bewiesen, sie flog. Zu einem zweiten Flug ist es nie mehr gekommen, die Zeit hat sie inzwischen überholt, und wahrscheinlich wäre sie doch zu schwer gewesen für einen richtigen Flug. Glücklicherweise wurde diese einmalige Maschine erhalten und kann nun in McMinnville besichtigt werden.


Am selben Abend erreichen wir Portland, mit 500.000 Einwohnern nicht nur die größte Stadt Oregons und bekannt für seine hohe Lebensqualität sondern auch der nördlichste Punkt auf unserer Route. Tatsächlich ist Portland eine sehr saubere und angenehme Stadt, die wir zwei Tage genießen bevor wir wieder aufbrechen.
Von Portland fahren wir Richtung Küste und kurz vor dem Pazifik kommen wir durch eine kleine Stadt namens Tillamook, wo ganz zufällig ebenfalls ein Flugzeugmuseum zu finden ist (www.tillamookair.com). Wenn wir schon da sind schauen wir uns das natürlich an und entdecken schon bei der Einfahrt ein Plakat mit einer Werbung für Rundflüge im offenen Doppeldecker. Das können wir uns nicht entgehen lassen und heben mit einer Travelair Baujahr 1929 zu einem Flug über die Küste Oregons ab. Der Anblick der Küstenlinie von oben, das offene Cockpit und der Klang des Sternmotors wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben.


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Von jetzt an geht es Richtung Süden, vorbei an Leuchttürmen und immer entlang einer spektakulären Küste, bis wir Oregon verlassen und in Kalifornien noch eine Schleife in Richtung der Berge im Osten fahren. Bis auf 2.500 Meter führt uns die Straße, als wir den Lassen Volcanic National Park durchqueren. Als es Abend wird und wir Richtung Chester rollen, dem heutigen  Tagesziel, begegnen uns immer wieder Hot Rods und US-Klassiker. Kaum im Hotel angekommen erfahren wir, dass gerade an diesem Wochenende hier ein Treffen stattfindet und es ist  geradezu ein Glücksfall für uns, die Autos vor der Kulisse der alten Gebäude an der Mainstreet zu erleben. Im Abendlicht eines Sommertages fühlen wir uns in die 50er und 60er Jahre zurückversetzt, als Chevrolet Bel Air, Pontiac GTO und Hot Rods auf der Mainstreet auf und ab fuhren.
Die nächste Etappe führt uns mitten durch das Land der Goldgräber. Der große Goldrausch von 1849 hat Abenteurer und Glücksritter angelockt, nur wenige von Ihnen wurden wirklich reich. Viele  Orte an dieser Strecke haben die Romantik dieser Zeit nicht verloren und man wäre nicht überrascht, würde John Wayne plötzlich um die Ecke kommen. Nun, John Wayne treffen wir nicht, aber dafür haben wir in Grass Valley noch einmal Glück und erleben auch hier eine US-Car Show, der September ist offenbar eine gute Jahreszeit für solche Events. Der Roamin Angels Car Club veranstaltet die jährliche Cruisin Pines Car Show (www.roaminangelsinc.com), und dass wir am nächsten Tag als erstes zum Messegelände fahren, wo die Show stattfindet, ist wohl klar.


Langsam geht unsere Fahrt zu Ende, schon bald erreichen wir San Francisco und nach fast 4.000km  müssen wir uns von unseren Maschinen trennen. Ein bisschen Wehmut ist dabei als ich noch einmal zurückschaue zu meiner Electra, die allein am Parkplatz zurückbleibt.

Nach ein paar abschließenden Tagen in San Francisco sitzen wir wieder im Flieger.


Während die 747 abhebt lehne ich mich zurück; ich bin froh dass wir da waren und dass wir zusammen gefahren sind. Es war eine denkwürdige Reise und ein einmaliges Erlebnis.

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