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Samstag, 18. Mai 2024
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Geschrieben von Jürgen Schelling   

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Am Wolfgangsee inmitten der Alpen treffen sich jedes Jahr im Hochsommer die Piloten europäischer Wasserflug-Oldies bei der Scalaria Airchallenge. Diesmal war die Klassiker-Dichte besonders hoch

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Es ist nicht nur ein atemberaubender Anblick, der Oldtimerfans die Herzen höher schlagen lässt, sondern sogar eine Weltpremiere, die sich da Mitte Juli über dem Wolfgangsee im Salzkammergut abspielt: Am Himmel fliegen zwei klassische Propeller-Airliner aus den 1950er Jahren in einer spektakulären Formation über den See. Vorneweg die 1958 gebaute Douglas DC-6B der Flying Bulls aus Salzburg, das wohl am besten restaurierte viermotorige Flugzeug der Welt, gefolgt von der 1955 produzierten Lockheed Super Constellation aus Basel, eine von nur noch zwei weltweit fliegenden Exemplaren dieses Typs. Der Motorensound von insgesamt acht Sternmotoren, vier Wright R-3350 in der Constellation und vier Pratt&Whitney R2800 CB-3 in der DC-6B und das Klanggewitter von zusammen 23000 PS bescheren manchem Klassiker-Fan eine Gänsehaut. So muss es einst in der Ära der Propeller-Airliner am Himmel ausgesehen haben – nur dass die Passagierflugzeuge damals garantiert nicht in derart geringer Höhe und eskortiert von zwei modernen Kunstflugzeugen über den Wolfgangsee flogen.


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An diesem See unweit von Salzburg treffen sich jedes Jahr Mitte Juli engagierte Piloten, um hier ihre Wasserflug-Leidenschaft ausleben zu können. Fast alle teilnehmenden Flugzeuge sind Oldtimer, nur wenige moderne Maschinen sind mit dabei. Es gibt sogar einen historischen Bezug für die Veranstaltung. So reisten in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts begüterte Sommerfrischler zeitsparend von Wien per Junkers-Wasserflugzeug direkt an den malerischen Alpensee, der später durch Film- und Fernsehproduktionen wie „Im weißen Rössl am Wolfgangsee” international bekannt wurde.

Gastgeber der Veranstaltung ist der Wasserflug-affine Chef des Eventhotels Scalaria im Örtchen St. Wolfgang, der jedes Jahr zur zwanglosen Airchallenge einlädt. Die feiert in diesem Jahr das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens. Das freut auch viele tausend Zuschauer rings um den See, denn sie bekommen neben dem Flugbetrieb auf dem Wasser auch noch eine spektakuläre kostenlose Airshow an jedem der drei Veranstaltungstage geboten.


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Aber selbst ohne Flugschau wäre die Dichte seltener Flugzeugklassiker erstaunlich hoch. So sind bereits auf dem Wasser etliche Preziosen zu entdecken. Die Königin unter den Seaplanes ist die gewaltige Dornier Do-24, mittlerweile schon Stammgast bei der Airchallenge. Die Dornier Do-24 protzt nicht nur mit 30 Metern Spannweite, auch ihre drei PT-6-Propellerturbinen gehören mit jeweils 1125 PS leistungsmäßig wie akustisch zur Heavy-Metal-Fraktion. Die Konstruktion der Do-24 entstand bereits in den 1930er Jahren aufgrund eines Auftrags der niederländischen Regierung. Diese wollte damals ein hochseetaugliches Amphibienflugzeug vor allem für den Einsatz in der damaligen Kolonie Indonesien vom deutschen Luftfahrtpionier Claude Dornier entwickelt bekommen. Die daraufhin rund 300 gebauten Exemplare der Do-24 waren dann ab den späten Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts vor allem zur Seenotrettung im Einsatz. Die bei Scalaria gezeigte Sondervariante Do 24 ATT wurde 1982 von ihren einstigen Sternmotoren auf leistungsfähigere Pratt&Whitney-Propellerturbinen umgebaut. Gleichzeitig erhielt das Flugboot eine neue und aerodynamisch leistungsfähigere Tragfläche, die fast drei Meter mehr Spannweite hat als das Original.


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Allerdings sorgt Pilot und Do-24-Eigentümer Iren Dornier mit dem von seinem Großvater Claude Dornier konstruierten Flugboot am Samstagmittag auch für einen gehörigen Schreckmoment bei den Zuschauern: Bei der Wasserung kollidiert die Do-24 möglicherweise mit einem Hindernis im See. Die Maschine dreht sich daraufhin abrupt um 180 Grad und kommt in einer großen Gischtwolke zum Stehen. Verletzt wird niemand, aber im Rumpfboden entsteht ein großes Loch, durch das sofort Wasser eindringt. Die Do wird in ein nahe gelegenes Strandbad geschleppt und später auf ein provisorisches Trockendeck gehievt. Die Schäden werden begutachtet, neben dem Loch sind wohl Teile der Elektronik in Mitleidenschaft gezogen. Die Do soll provisorisch flugtüchtig gemacht und dann an den bayerischen Flugplatz Oberpfaffenhofen zur weiteren Reparatur geflogen werden.


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Noch ein weiteres Dornier-Flugboot gibt sich am Wolfgangsee die Ehre, zwar ebenfalls ein Oldie, aber aus einer ganz anderen Generation als die Do-24: In den 1980er Jahren wurde die Seastar entwickelt, ein Flugboot mit zwei Propellerturbinen in Tandemkonfiguration, die je einen Druck- und Zugpropeller antreiben. Die damals geplante Serienfertigung kam nie zustande, einer von zwei gebauten Prototypen ist aber voll einsatzfähig und zeigt auf dem Wolfgangsee Wasserstarts und Landungen.

Auch bei den weiteren Wasserflug-Oldies herrscht Vielfalt: Die seit mehr als 70 Jahren in unzähligen Varianten gebaute Piper PA-18 ist ebenso vertreten wie die viersitzige US-amerikanische Maule, die ebenfalls seit Jahrzehnten in Produktion ist. Von Cessna 182 und 206 sind mehrere Exemplare zu sehen, dazu zwei de Havilland Beaver.

Nach zwei Tagen mit vielen „Splash-ins” folgt am Samstagnachmittag der Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltung zum 10jährigen Bestehen der Airchallenge. Die traditionell hochkarätige Airshow „Flying Opera “ zur Musik lockt viele tausend Zuschauer an die Uferpromenade des Wolfgangsee. Die Flying Bulls aus Salzburg präsentieren ihre Preziosen am Himmel: die rassige Lockheed P-38 Lightning, die gewaltige B-25 Mitchell und die einmotorige T-28, alle aus den 1940er oder 1950er Jahren, eskortiert von zwei Alpha Jets, die ebenfalls bereits zu den Oldtimern zählen. Dazu kommen zum Jubiläum die sechs ehemaligen Militärjets vom Typ Let L-39 der Kunstflugformation „Baltic Bee” aus Lettland, die in enger Formation Kunstflug zwischen den Alpengipfeln zelebrieren.


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Emotional wird es im Anschluss auch am Boden: Sigi Angerer aus Innsbruck, Gründer und früherer Chefpilot der Salzburger Flying Bulls, bekommt im Auftrag des US-amerikanischen Auswahlgremiums aus den Händen von Ivan Aeberli von der Schweizerischen Seaplane-Association die Auszeichnung „Living Legend of Aviation“. Er ist der erste nichtamerikanische Pilot, der diese hohe Ehrung für sein Lebenswerk als Gründer der Flying Bulls und langjähriger Chefpilot erhält. Der österreichische Lokalmatador Hannes Arch, ehemaliger Air-Race-Weltmeister und begeisterter Kunstflieger, bringt zudem an allen drei Tagen im Zusammenspiel mit seinem Freund und Air-Race-Kollegen Pete McLeod aus den USA.mit spektakulären Loopings, Rollen und extremen Flugmanövern die Beobachter am See zum Staunen. Bei der sich jeweils abwechselnden Vorführung der beiden Kunstflugzeuge sind die Piloten hochkonzentriert, da die Figuren ihres Programms simultan zur Musik passen sollen. Weitere Vorführungen von Segelkunstflugzeugen, Oldtimern und Fallschirmspringern runden die spektakuläre Jubiläums-Show am Himmel über dem Wolfgangsee ab.

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