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Samstag, 27. April 2024
Ende oder Anfang – der Schrottplatz Drucken E-Mail
Geschrieben von Martin Winterle   

Heft bestellen - Ende oder Anfang – der Schrottplatz

Paradiese der Sinne – schauen, staunen, wundern, riechen, überlegen, eintauchen, träumen, fachsimpeln ...

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Faszination Schrottplatz Zahllose Erlebnisse aus der motorisierten Jugendzeit der heutigen 50+ Generation, zu der ich mich auch zählen darf, sind untrennbar mit den gelegentlichen Besuchen auf den, damals noch mehrfach vorhandenen, Endstationen einstiger automobiler Pracht, verbunden. Aber was hat die Erinnerung daran so intensiv wach gehalten?

War es der Geruchsmix aus altem Leder und Holz in Kombination mit Katzenklo?

Oder eher jener von Altöl, dampfendem Gummi und einem wehenden Hauch von verdunstendem Superbenzin? Vielleicht der im lauen Föhn gleichmäßig, melancholisch auf und ab wippende Kofferraumdeckel eines altersschwachen Opel Kadett? Die hoffnungslos trüben Scheinwerferaugen, eines sonst doch noch so halbwegs passabel wirkenden 1000er Simca?


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NEIN – ganz entschieden – NEIN! Was die Erinnerung in Bildern und Gerüchen so 100%ig ins heute herüber zu bringen vermag, war ein weinroter 220S mit cognacfarbiger Lederausstattung, viel Chrom, Kurbelschiebedach, gelben Nebelscheinwerfern, Nussholzarmaturenbrett und – angeblich nur – fehlender Batterie und (aus Sicherheitsgründen) ausgebautem Radio. Um lächerliche 10.000,- Schilling zum Mitnehmen. Für mich wären es fünf Monatsgehälter gewesen. Ersparnisse hatte ich keine, Sponsoren erst recht nicht. Zudem keinen Stellplatz, nicht die leiseste Ahnung von Mechanik, Elektrik und Spenglerei. Wie oft ich ihn bestaunt, gestreichelt und hinter dem wundervollen Lenkrad Platz genommen habe, weiß ich wirklich nicht mehr. Meine Freunde, die mich, minderbemittelten Autolosen, zu diesen Exkursionen mitnahmen, fanden nach ausgiebigen Betrachtungen und maulwurfartigen Gebärden immer etwas zum Feilschen. Gerade noch bedingt taugliche Winterreifen auf ehemals schwarzen, nun halb rostroten Stahlfelgen für den 15M Turnier vom Hans. Der Ernst suchte immer nach Veglia-Zusatzarmaturen für seine Giulia. Hätte er lieber auf die serienmäßig eingebauten geachtet, wäre ihm der kapitale Motorschaden erspart geblieben. Da ich die Reaktionen meiner Gattin nicht ausloten möchte, wenn ich nun Schälchen mit Altöl und Superbenzin, wahllos im Arbeitszimmer verteile, um das Flair beim plastischen Gestalten meiner Erinnerungen realistischer zu gestalten, werde ich es wohl besser sein lassen und meine Gedanken in die verklärte, rostige Vergangenheit begleiten ...


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Grundsätzliches zum Dioramenbau Das Bauen von plastischen Bildern (so die Übersetzung von Dioramen), kam in den 1960er Jahren in Mode. Vor der Jahrtausendwende schlief es wieder (fast) ein. Dargestellt wird eine bestimmte Szene, ein Landschaftsteil, ein Gebäude mit Umfeld, aktuell- oder historisch unterlegt. Aber immer so naturgetreu, wie irgend möglich. Die Gestalter kommen aus dem Kreis der Fahrzeug-, Schiff- und Figurensammler, denen das monotone Anein-anderreihen ihrer Sammelstücke keinen Kick mehr gibt. Sie wollen mit ihren Ideen Bewegung in die Sammlung bringen, etwas formen, gestalten. Wichtigstes Kriterium dabei ist die maßstäbliche Einheit aller Details. So unendlich groß die Themenvielfalt ist, so spannend ist sie gleichzeitig. Für Modellautosammler, egal ob in 1:87 oder 1:24, ist von der Rennstrecke, über Schrottplatz, Museumslandschaft bis hin zu alltäglichen Straßenszenen alles umsetzbar. Ein faszinierendes Betätigungsfeld für stressgeplagte, handwerklich und künstlerisch halbwegs begabte Bastlernaturen. Dioramen stellen die Basis der damit verbundenen Fotografie und Präsentation dar. Da jedes selbst kreierte plastische Bild ein weltweites Unikat darstellt, sind das erhoffte Erfolgserlebnis und die Anerkennung der Bewunderer, bei entsprechendem Ergebnis, garantiert.

Herausforderung – ein Diorama im 1:43er Maßstab Die Größe entspricht der Modell-eisenbahnnorm 0. In diesem Maßstab gibt es so gut wie nichts an Gebäuden zu kaufen. Also ist dieselbe Kreativität, wie etwa beim Krippenbau gefragt. Ob die Grundplatte aus Karton, Spanplatte oder Sperrholz besteht, hängt wesentlich von der angedachten Größe, möglicher Zerlegbarkeit und der benötigten Steifheit, ab. Ab einer gewissen Größe ist auch die Überlegung, die Grundplatte in Module aufzuteilen, angebracht. Module haben den Vorteil der leichten Unterbringung, z. B. in einem Schrank. Ihr Nachteil ist, gerade im Bereich von Straßenführungen, sichtbare, nicht immer exakte Übergänge.


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Als Basis für Bauten können Papierausschneidebögen dienen, wie sie beispielsweise die Fa. Schreiber anbietet. Diese müssen, vor dem Druck, auf den Maßstab von 1:43 vergrößert werden. Macht jede Kopieranstalt. Ausgehend von der tatsächlichen Maßstäblichkeit alter Märklin 8000er-Modelle, Tekno Busse, Corgi Toys usw., reicht eine Vergrößerung auf 1:50, je nach Art und Größe des Bauwerkes durchaus auch. Nachmessen wird kein Mensch und passen soll letztlich die Optik des Gesamtbildes. Mit welcher Raffinesse und welchem Zubehör die Gebäude dann aufgerüstet und ausgeschmückt werden, obliegt einzig dem Können und dem Geschmack des Künstlers.

Eine interessante Aufgabenstellung ist auch der Nachbau eines oder mehrerer Stadthäuser der nüchternen Epoche ab 1930 aus alten Schuhschachteln, bunten Kartonresten und Echtverglasung dank leerer Klarsichtverpackungen.

Und so geht’s: Vorlagebilder mit dem Handy beim Spaziergang anfertigen, Klebstoff besorgen, der Rest findet sich im Müll. Bin-verreist-Schild aufhängen, Haustür 2x zusperren, Anrufbeantworter und Kaffeemaschine einschalten und abtauchen – so entsteht Modellarchitektur, die durch ihre Einmaligkeit beeindruckt – und nix kostet. Ich habe auf diese Weise entstandene, mit Farbstiften und Wasserfarben kolorierte Bauwerke gesehen, die durch ihre Liebe zum Detail, selbst teure Plastikbausätze der H0-Liga, an Authentizität locker in den Schatten stellten.

 

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Alles, außer den Gebäuden, kann von der Modelleisenbahn adaptiert werden. Streumaterial für Wiesen, Straßen, Wege, Hinterhöfe ist vom Eisenbahngeländebau genauso zu verwenden wie Bäume und Sträucher. Wie groß ein Baum ist, hängt bekanntlich von dessen Art und Alter und nicht von der Größe H0 ab. Die am echtesten wirkenden Gewächse fertigt man aus über den Winter getrockneten Kräutern und Pflanzen selber an. Ein Spaziergang im Frühling zwischen Waldrand und Flussufer kann fette Beute bringen. Mittels Nagelschere und Klebstoff entstehen Maßbäume in Einzelanfertigung. In Leimwasser getaucht und mit Streumaterial beflockt, bin ich der Herr über Sorte des Baumes und der gewünschten Jahreszeit. Sträucher sind noch leichter herzustellen. Ganze lebende Zäune können so nachgebaut werden. Zum Zusammenfügen, in Form schneiden, verkleben, beflocken, dient zwischenzeitlich ein Stück Styropor als fixierende Bodenplatte. Styropor, normalerweise lästiger Verpackungsabfall, ist sehr leicht und gut zu bearbeiten. Der billigste Kleber dafür ist gewässerter Kaltleim. Für Holzimitate, vom Bretterzaun über Reklametafeln, Wandvertäfelungen, Verkaufsbuden, Holzhütten, Sandkisten, Tische, Bänke, Vordächer, Bretterstapel, Schindeldächer bis hin zu Ladegut für Lastautos, eignen sich – Furnierreste. Diese kann man in den meisten Tischlereien erbitten. Zubehör in 1:50 bietet der Architekturmodellbau an. Aller-dings heute längst nicht mehr in jenem Umfang, wie dies noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Aber ein Straßencafé mit Sonnenschirmen und ein paar Fahrräder müssten beschaffbar sein. Alle Beschriftungen, Firmenschilder, Verkehrszeichen, Reklamen etc. lassen sich, in die passende Größe gebracht, bei einem Streifzug durch das World Wide Web an Land ziehen. Plastisch erhaben wirken diese durch Unterlagen aus Karton oder Plastik. Versteift sind die Schilder dann auch gleich und selbst einer freitragenden Anbringung, steht nichts mehr im Wege. Dass wir Schaschlikstäbchen, Eishölzchen, Strohröhrchen und vieles andere mehr, in Hinkunft mit den Augen ihrer möglichen modellbaulichen Verwendbarkeit betrachten, ist keine Sinnestäuschung, sondern Logik. Kein Scherz – wer den Neujahrsspaziergang zum Aufsammeln von Holzstäbchen abgeschossener Silvesterraketen nutzt, hat genug Balsaholzvierkantlinge bis zur kommenden Silvesterparty. Los, auf geht‘s – bauen wir uns einen Schrottplatz!


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Ein Schrottplatz für (ausgediente) Spielzeugautos - Das Umfeld: Ein altes Lagerhaus mit größerem Grundstück dient als Kulisse. Büro, Teilelager und Verkauf befinden sich ebenerdig im Gebäude. Im ersten Stock liegt die Pächterwohnung. Im Hof erfolgt die Anlieferung und Zerlegung der Schrottautos. Ruinen und Restaurationsobjekte gammeln dort einträglich in offensichtlich zeitloser Bedeutungslosigkeit ihrer Entdeckung und Wiederbelebung entgegen.

Gedanken zur Arbeitsvorbereitung: Wie groß ist das Grundstück? In diesem Fall 350 x 540 mm.

Warum? Weil es so exakt in meinen Schrank passt! Wie groß ist das Lagerhaus? 130 x 302 mm.

Warum? Weil es zu den 1:43er-Modellen passen sollte. Eine Grundstückslänge soll als Bretterzaun dargestellt werden.

Warum? Schon einmal einen echten Schrottplatz ohne Bretterzaun gesehen? Am hinteren Ende soll ein Flugdach entstehen. Darunter werden die Autos zerlegt. Der Zutritt von vorne bleibt gänzlich offen. Fladert eh keiner was!

Benötigtes, vor Baubeginn (möglichst) komplett vorhandenes Material (Stückliste):

1 massiver Karton oder noch besser, eine 4 mm Sperrholzplatte 350 x 540 mm.

1 Bausatz Güterschuppen aus Papier, kostenlos im Internet herabgeladen, passend vergrößert und ausgedruckt. An dieser Stelle ein Danke an Martin Gumhold. Unter www.gumhold.com gibt es kostenlos noch ein paar interessante Bausätze mehr.

1 Karton zum Hinterlegen und versteifen des Papierbausatzes.

Furnierreste für den Bretterzaun.

Vierkanthölzchen 2 x 2 mm (max. 3 x 3 mm) gibt es im Modellbauzubehör.

Strukturierter (gerippter) Karton (Grüße an den Altpapiercontainer).

Streumaterial in verschiedenen Farben, vor allem grau, braun, schwarz, grün.

Styroporreste für Mauerwerk (findet sich normalerweise immer tonnenweise im Müll – außer man braucht es gerade!).

 Dieses Werkzeug sollte bereit liegen: Kugelschreiber, Bleistift, Notizblock, Spitzer und Radiergummi, Filzstifte, Buntstifte, Lineal und Dreieck, Papierschere und Modellbaumesser nebst Ersatzklingen,

Laubsäge und 80er Schleifpapier für die Kanthölzerbearbeitung, Pinzette. Minibohrmaschine mit Zubehörset, verschiedene kleine Zangen, Schlüsselfeilen. Saubere Marmeladeportionsgläser (vom letzten Auswärtsfrühstück) zum Anrichten von Leimwasser und zum Mischen von Streumaterial.

Wasserfarben mit Deckweiß, Pinsel (davon mehrere verschiedene), Wasserglas.

Diverse Klebstoffe, Sprühkleber, Kaltleim, Alles-kleber, Tixoband.

Gummibänder und Wäscheklammern zum Fix-ieren einzelner Bauteile.

Beruhigungsmittel, Verbandpflaster, Handy mit fixprogrammierten besten Freunden.


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Beim Gumhold Bausatz können Türen und Fenster, optisch in die Mauer vertieft verbaut werden, was sehr gut aussieht. Sollte das Gebäude später mittels Flachbatterie, Fassung, Lampe und zwei dünnen Drähten, beleuchtet werden, dürfen die Fenster nicht mit Karton hinterlegt werden. Nie einen Fensterrahmen unter einmal kleben. Immer Seite für Seite mit Trockenpause. So wird das nervige Verrutschen verhindert. Alle Kanten sauber vorfalzen und jeden Einschnitt exakt zu Ende schneiden. Niemals reißen, aber Ecken mit dem Bastelmesser nachputzen. Runde Partien von Fenstern und Türen trennt man am leichtesten mit der Stecknadel von der Front ab. Ecken mit Stecknadelloch markieren, mit Messer heraustrennen. Bleiben die punktierten Linien sichtbar (was leider vorkommt), hilft retuschieren mit Bleistift oder Farbstift, je nach dem. Reste von Bausätzen können später anderwärtig verwendet werden, daher nicht wegwerfen. Blumenkästen, Dachrinnen, und Straßenlaternen machen sich immer gut und sind einfach zu fertigen.

Um der Szenerie möglichst viel Raum zu geben, wird das Gebäude in der linken, vorderen Ecke des Platzes positioniert.

Für den Boden im Hof kann Streumaterial nach Geschmack gemischt werden. Soll der Platz wie asphaltiert aussehen, ist feines, gleichmäßiges Dunkelgrau von Vorteil. Nachträgliches Überziehen mit dünnem Tapetenkleister, Leimwasser oder Sprühkleber verhindert späteres abbröseln.

Wer den Platz pflastern will – sicher eine realitätsbezogene, aber arbeitsintensive  Variante – sollte keine Folie verwenden, sondern plastisch erhaben wirkendes Material. Dieses wenn (nervlich) möglich, Steinchen für Steinchen, verkleben. Die Optik ähnelt der Wirklichkeit auf verblüffende Art und Weise. Nicht vergessen – auf Pflastersteinen sollen Altölflecken sichtbar sein.

Der Bretterzaun (gedachte Höhe 4 Meter) mit Spalten zum durchspechteln (Väter eher als Söhne), wird aus Furnierresten geschnitten, diese sollten wie naturbelassene Bretter und nicht wie Parkettfußboden aussehen. Die Steher zur Befestigung im Boden und zur Verbindung der Bretter untereinander, übernehmen die Vierkantlinge. Aus ihnen wird auch das Gerüst für das Flugdach gezimmert.

Dieses wird aus strukturiertem Karton geschnitten und mit Wasserfarbe in die stimmige Tönung gebracht. Wasserfarbe kann auch (wenn gewünscht) beim Altern der Zaunlatten und der Bodenfläche Verwendung finden.


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Die unterschiedlich hohen Mauern werden aus Styroporresten geschnitten. Mit Fixierstiften aus Zahnstochern werden diese mit Kaltleim auf dem Boden geklebt. Nur Styroporkleber oder Kaltleim, aber keinesfalls UHU oder Pattex verwenden!

Unkraut entlang des Zaunes, an den Mauern, rund ums Haus und überall dort, wo es gilt, so realistisch als möglich Übergänge zu kaschieren - einfach sprießen lassen.

Echtes Schrottplatzflair bringen zeitlich stimmige Allerweltautos, Exoten fügen sich nicht so gut in diese rostige Realität. Ein, zwei Hingucker dürfen aber dabei sein. Lose Räder, Reifen, Hauben, Türen etc. türmen sich in einer Ecke. Figuren beleben die Szenerie durch ihre Betriebsamkeit am nachhaltigsten. Günstige gibt es zum selber bemalen von Preiser. Wer hat, nimmt alte von Corgi Toys, Oman usw. Haus und Werkhof können mit allem, was an Ideen und Material verfügbar ist, komplettiert werden. Von der Straßenlaterne bis zum Altölfass ist praktisch alles willkommen. Beschilderung nicht vergessen!

Ob der Schrottplatz für ein Auto oder ein Ersatzteil, das Ende oder ein neuer Anfang ist, entscheidet letztendlich das Schicksal. Aber nachhelfen wird doch erlaubt sein ...

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