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Sonntag, 5. Mai 2024
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Geschrieben von Jürgen Schelling   

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Der viermotorige Oldtimer vom Typ Douglas DC-6B am  Salzburger Flughafen zieht alle Blicke auf sich. Kein Wunder: Er ist der wohl am besten restaurierte Airliner aus der Propeller-Ära weltweit.

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Windhuk, Namibia, ein trocken-kalter Julimorgen im Jahr 2000. Eine Gruppe europäischer Piloten samt zweier afrikanischer Flugkapitäne verfolgt am Eros Airport mit leichter Nervosität die Bemühungen einheimischer Mechaniker, einige am Tag zuvor festgestellte Defekte an dem viermotorigen Propeller-Oldie zu beheben. Gespannte Erwartung liegt in der Luft, schließlich ist der Zeitrahmen eng gesteckt: In den nächsten vier Tagen soll die Douglas DC-6B für den neuen Eigentümer von Windhuk quer durch den afrikanischen Kontinent und Südeuropa bis nach Salzburg, dem künftigen Standort, überführt werden. Der anstehende Probeflug soll zeigen, ob der betagte Airliner für den Flug über den schwarzen Kontinent gerüstet ist. Die beiden mit der DC-6B vertrauten südafrikanischen Flugkapitäne, die in den kommenden Tagen als Trainingspiloten für ihre europäischen Fliegerkollegen fungieren werden, sind nach dem knapp einstündigen Check in der Luft erleichtert. Alle Systeme arbeiten einwandfrei, auch der für diese Maschine obligatorische Flugingenieur als dritter Mann im Cockpit gibt sein Okay. Es kann losgehen.


Vier Tage später, nach einigen Tausend Kilometern zurückgelegter Flugstrecke, enormen Mengen verbrannten Flugbenzins und einigen Hundert Litern verbrauchten Öls landet die DC-6B schließlich in Salzburg. Dort wird sie vom neuen Eigentümer Dietrich Mateschitz, dem luftfahrtbegeisterten Chef des österreichischen Red-Bull-Konzerns, freudestrahlend als neues Flaggschiff seiner Oldtimer-Flugzeugsammlung in Empfang genommen.


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Bei der eingehenden Untersuchung der Technik wird jedoch schnell klar, dass ein paar kosmetische Reparaturen nicht ausreichen, um die Maschine in einen Topzustand zu versetzen. Eine komplette Restaurierung des seltenen Airliners steht deshalb an. Die ehemalige Regierungsmaschine des jugoslawischen Machthabers Josip Broz Tito hat allerdings auch bewegte Zeiten hinter sich: Das 1958 in den amerikanischen Douglas-Werken gebaute Passagierflugzeug wird nach seinem Einsatz in dem Mittelmeerstaat 1975 nach Sambia verkauft. Dort fliegt die DC-6B noch einige Jahre, wird dann aber eines Tages kurzerhand am Rande des Flugplatzes von Lusaka abgestellt und ihrem Schicksal überlassen. Ein namibischer Luftfahrtunternehmer entdeckt sie in den Neunzigerjahren, macht den Klassiker wieder flugtüchtig und setzt ihn einige Zeit auf Touristenflügen von Windhuk aus ein. Wirtschaftliche Probleme zwingen ihn im Frühjahr 2000 zum Verkauf der Maschine, die trotz vorhandener Flugtüchtigkeit in dieser Zeit einen eher morbiden Charme ausstrahlt.


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Dabei war die DC-6B einst das Prunkstück der kalifornischen Douglas-Werke: Sie verfügte über eine damals hochmoderne Druckkabine, die den Flug in großen Höhen ermöglichte, und erlaubte bis zu 107 Passagieren das Reisen in ihrer komfortablen Kabine. Vier mächtige Sternmotoren vom Typ Pratt&Whitney R2800 mit je 2500 PS sorgten für rund 500 Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit sowie etwa 8000 Kilometer Reichweite und machten die maximal 47 Tonnen schwere Maschine zum Erfolgsmodell für die Douglas Corporation. Mehr als 700 Exemplare der DC-6B und ihres kleineren Schwestermodells DC-6 wurden zwischen 1946 und 1958 in Kalifornien gebaut. In den Fünfzigerjahren repräsentierte sie zusammen mit dem Konkurrenzmodell Super Constellation von Lockheed den damals modernsten Stand der Luftfahrt-Technik – und beide Maschinen waren bei Fluglinien- und Gästen ähnlich populär wie im 21. Jahrhundert ihre Nachfahren Airbus 380 oder Boeing 747.


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Wer heute, mehr als 15 Jahre nach dem Afrika-Überführungsflug, auf Einladung des österreichischen Konzerns einmal in der DC-6B mitfliegen darf, erlebt eine wunderbare Zeitreise. Zwar ist der Airliner mittlerweile mit jeglichem Komfort ausgestattet, und statt rund 100 finden lediglich noch etwa 36 Passagiere in der Kabine unvorstellbare Beinfreiheit und jede Menge Luxus. Sobald sich aber der erste der vier Sternmotoren zu drehen beginnt, fühlt man sich sofort in die Fünfzigerjahre zurückversetzt. Beim Starten des Triebwerks entsteht eine Wolke dichten Qualms, die durch verbranntes Öl in den Zylindern entsteht. Aber der sympathische Chefpilot der DC-6B, Raimund Riedmann, hat seinen Passagieren vor dem Einsteigen ohnehin beruhigend erklärt, dass es sogar durchaus normal ist, wenn aus dem Auspuff des 18-Zylinders kurze Flammen schlagen – solange dies nicht allzu lange andauere.

Die DC-6B beginnt quasi mit jedem weiteren anlaufenden Triebwerk ein bisschen mehr zu leben – und wenn alle vier Pratt&Whitney gleichmäßig rund drehen, erzeugt dies einen einzigartig nostalgischen Klangteppich. Beim Startlauf wird es noch etwas lauter, ein möglichst geringes Innengeräusch stand in den Fünfzigerjahren nicht allzu weit oben im Lastenheft der Douglas-Konstrukteure. Nach dem Abheben geht es anders als in modernen Jets in einem sanftem Steigflug gen Himmel. Dabei brummen die Motoren angenehm beruhigend, und der Blick aus den Fenstern fällt entweder auf zwei hochglanzpolierte Motorverkleidungen samt gewaltiger Propeller oder die ersten Alpengipfel rings um Salzburg. Nach etwa zwei Minuten nimmt der Pilot die Leistung etwas zurück. Die Maschine fliegt so etwa 450 Stundenkilometer, wenn es mal schneller gehen muss, sind auch etwas über 500 drin.


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Als Passagier darf man während des Flugs sogar das Cockpit besichtigen. Dort fällt auf, dass zwischen beiden Piloten, genau wie früher, ein Flugingenieur sitzt. Er bedient und synchronisiert vor allem die vier Triebwerke und ist heute für die DC-6B noch genauso vorgeschrieben wie damals. Die Avionik, also alle Anzeigen und die komplette Instrumentierung, ist zwar komplett überholt oder erneuert, passt aber zumindest von der Optik her immer noch stilgerecht zu dem Oldtimer. Im Rahmen der Restaurierung hielt allerdings auch modernste Navigations- und Informationstechnik Einzug ins Cockpit. Aviatik-Profis erspähen deshalb rasch einige Hightech-Displays unmittelbar neben den Instrumenten im Fünfzigerjahre-Look. Die DC-6B ist durch diese modernisierte Technik heute uneingeschränkt für den Passagiertransport zugelassen und zudem bei jedem Wetter einsetzbar.   


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Nachdem die Maschine eine Stunde später wieder zur Landung aufgesetzt hat, werden zur Schonung zwei der vier Triebwerke bereits auf dem Rollweg abgestellt. Nachdem an der endgültigen Parkposition auch die beiden anderen Motoren verstummen, kehrt wieder Ruhe in der Kabine ein. Die begeisterten Passagiere verlassen die DC-6B zwar wie bei einem modernen Jet über eine Fluggastbrücke, Pilot Riedmann und seine beiden Crewkollegen ziehen es aber meist vor, stilgerecht mithilfe einer kleinen ausfahrbaren Klappleiter von einer Tür direkt hinter dem Cockpit aus auf den Boden zu klettern.

 „Es ist ein Privileg, solch eine wunderbare Maschine fliegen zu dürfen“, schwärmt Raimund Riedmann, der zusammen mit drei weiteren erfahrenen Kollegen die DC-6B steuert, von seinem Beruf. Leidenschaft für diese nostalgische Form der Luftfahrt gepaart mit fliegerischem Können braucht es auch, um bei den Flying Bulls, der Luftfahrtabteilung des Getränkekonzerns, eine Chance als Pilot zu bekommen. Denn es ist ein ganz besonderer Schlag von Fliegern notwendig, die diese alte Technik nahezu ohne Computerunterstützung zu würdigen und professionell zu bedienen wissen.

Dabei ist die DC-6B als Flaggschiff innerhalb der Salzburger Flugzeugflotte des Konzerns derzeit wohl nicht nur nach Riedmanns Ansicht der am besten restaurierte Propeller-Airliner der Welt. Mehrere Dutzend Fachleute haben den knapp 36 Meter Spannweite messenden Klassiker in mehr als 100.000 Arbeitsstunden über drei Jahre hinweg zu einem fliegenden Schmuckstück im „Besser-als-neu“-Zustand gemacht.

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