Glänzende Erscheinung |
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Geschrieben von Jürgen Schelling | |
Heft bestellen - Glänzende Erscheinung
Bei der eingehenden Untersuchung der Technik wird jedoch schnell klar, dass ein paar kosmetische Reparaturen nicht ausreichen, um die Maschine in einen Topzustand zu versetzen. Eine komplette Restaurierung des seltenen Airliners steht deshalb an. Die ehemalige Regierungsmaschine des jugoslawischen Machthabers Josip Broz Tito hat allerdings auch bewegte Zeiten hinter sich: Das 1958 in den amerikanischen Douglas-Werken gebaute Passagierflugzeug wird nach seinem Einsatz in dem Mittelmeerstaat 1975 nach Sambia verkauft. Dort fliegt die DC-6B noch einige Jahre, wird dann aber eines Tages kurzerhand am Rande des Flugplatzes von Lusaka abgestellt und ihrem Schicksal überlassen. Ein namibischer Luftfahrtunternehmer entdeckt sie in den Neunzigerjahren, macht den Klassiker wieder flugtüchtig und setzt ihn einige Zeit auf Touristenflügen von Windhuk aus ein. Wirtschaftliche Probleme zwingen ihn im Frühjahr 2000 zum Verkauf der Maschine, die trotz vorhandener Flugtüchtigkeit in dieser Zeit einen eher morbiden Charme ausstrahlt. Dabei war die DC-6B einst das Prunkstück der kalifornischen Douglas-Werke: Sie verfügte über eine damals hochmoderne Druckkabine, die den Flug in großen Höhen ermöglichte, und erlaubte bis zu 107 Passagieren das Reisen in ihrer komfortablen Kabine. Vier mächtige Sternmotoren vom Typ Pratt&Whitney R2800 mit je 2500 PS sorgten für rund 500 Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit sowie etwa 8000 Kilometer Reichweite und machten die maximal 47 Tonnen schwere Maschine zum Erfolgsmodell für die Douglas Corporation. Mehr als 700 Exemplare der DC-6B und ihres kleineren Schwestermodells DC-6 wurden zwischen 1946 und 1958 in Kalifornien gebaut. In den Fünfzigerjahren repräsentierte sie zusammen mit dem Konkurrenzmodell Super Constellation von Lockheed den damals modernsten Stand der Luftfahrt-Technik – und beide Maschinen waren bei Fluglinien- und Gästen ähnlich populär wie im 21. Jahrhundert ihre Nachfahren Airbus 380 oder Boeing 747. Wer heute, mehr als 15 Jahre nach dem Afrika-Überführungsflug, auf Einladung des österreichischen Konzerns einmal in der DC-6B mitfliegen darf, erlebt eine wunderbare Zeitreise. Zwar ist der Airliner mittlerweile mit jeglichem Komfort ausgestattet, und statt rund 100 finden lediglich noch etwa 36 Passagiere in der Kabine unvorstellbare Beinfreiheit und jede Menge Luxus. Sobald sich aber der erste der vier Sternmotoren zu drehen beginnt, fühlt man sich sofort in die Fünfzigerjahre zurückversetzt. Beim Starten des Triebwerks entsteht eine Wolke dichten Qualms, die durch verbranntes Öl in den Zylindern entsteht. Aber der sympathische Chefpilot der DC-6B, Raimund Riedmann, hat seinen Passagieren vor dem Einsteigen ohnehin beruhigend erklärt, dass es sogar durchaus normal ist, wenn aus dem Auspuff des 18-Zylinders kurze Flammen schlagen – solange dies nicht allzu lange andauere. Als Passagier darf man während des Flugs sogar das Cockpit besichtigen. Dort fällt auf, dass zwischen beiden Piloten, genau wie früher, ein Flugingenieur sitzt. Er bedient und synchronisiert vor allem die vier Triebwerke und ist heute für die DC-6B noch genauso vorgeschrieben wie damals. Die Avionik, also alle Anzeigen und die komplette Instrumentierung, ist zwar komplett überholt oder erneuert, passt aber zumindest von der Optik her immer noch stilgerecht zu dem Oldtimer. Im Rahmen der Restaurierung hielt allerdings auch modernste Navigations- und Informationstechnik Einzug ins Cockpit. Aviatik-Profis erspähen deshalb rasch einige Hightech-Displays unmittelbar neben den Instrumenten im Fünfzigerjahre-Look. Die DC-6B ist durch diese modernisierte Technik heute uneingeschränkt für den Passagiertransport zugelassen und zudem bei jedem Wetter einsetzbar. Nachdem die Maschine eine Stunde später wieder zur Landung aufgesetzt hat, werden zur Schonung zwei der vier Triebwerke bereits auf dem Rollweg abgestellt. Nachdem an der endgültigen Parkposition auch die beiden anderen Motoren verstummen, kehrt wieder Ruhe in der Kabine ein. Die begeisterten Passagiere verlassen die DC-6B zwar wie bei einem modernen Jet über eine Fluggastbrücke, Pilot Riedmann und seine beiden Crewkollegen ziehen es aber meist vor, stilgerecht mithilfe einer kleinen ausfahrbaren Klappleiter von einer Tür direkt hinter dem Cockpit aus auf den Boden zu klettern. „Es ist ein Privileg, solch eine wunderbare Maschine fliegen zu dürfen“, schwärmt Raimund Riedmann, der zusammen mit drei weiteren erfahrenen Kollegen die DC-6B steuert, von seinem Beruf. Leidenschaft für diese nostalgische Form der Luftfahrt gepaart mit fliegerischem Können braucht es auch, um bei den Flying Bulls, der Luftfahrtabteilung des Getränkekonzerns, eine Chance als Pilot zu bekommen. Denn es ist ein ganz besonderer Schlag von Fliegern notwendig, die diese alte Technik nahezu ohne Computerunterstützung zu würdigen und professionell zu bedienen wissen.
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