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Freitag, 26. April 2024
Vollblut aus Mattighofen - KTM Mustang 125/150 1957–1959 Drucken E-Mail
Geschrieben von Hannes Denzel   

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1957 war ein höchst produktives Jahr für das als Motorradproduzent noch sehr junge Mattighofener Unternehmen. „Mister Vierventil“ Ludwig Apfelbeck war zu KTM gestoßen, um eine international wettbewerbsfähige Straßenrennmaschine zu konstruieren (mit der die Werksmannschaft um Erwin Lechner auch in der Straßen-Weltmeisterschaft reüssieren sollte, was dann allerdings der Rotstift verhindert hat) und hatte so nebenbei aber mit dem Mecky einen neuen Fahrzeug-Typus namens Mopedroller „erfunden“. Die 125 „Tourist“ war als „Grand Tourist“ mit Schwinge erwachsen geworden, hatte mit der „Tarzan“ einen sportlichen Ableger für die Straße bekommen, und stellte auch die Basis für eine Spezialmaschine mit 19”-Rädern für Wertungsfahrten im Gelände. Auch für diesen „Gatschhupfer“ war der Name sorgfältig gewählt worden – „Mustang“ war die Bezeichnung für die wild lebenden Pferde in den Weiten des nordamerikanischen Kontinents.

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 Um ehrlich zu sein: Neu waren hauptsächlich der Name und der Umstand, dass man diese geländegängigen Maschinen fix und fertig kaufen konnte. Bei Wertungsfahrten im Einsatz gewesen waren sie schon vorher, Erwin Lechner – der Tausendsassa war seit 1953 bei KTM im Team und auf der Straße ebenso wie im Gelände eine fixe Größe – hatte sich seine Wettbewerbsmaschinen nach seinen Anforderungen immer selbst hergerichtet und aufgebaut. Nach dem Vorbild seines Krawallmachers war bei KTM das Modell Mustang kreiert worden. Dass private Heißsporne mit den käuflichen Geländerennern den Werksmaschinen Konkurrenz machen könnten war insofern nicht zu befürchten, als Lechner & Co (zu den Cos zählten z. B. Edi Kranawetvogl, Walter Kaserl, Albert Brentner oder Inge Weikinger, spätere Kranawetvogl) 1957 ja schon die wesentlich stärkeren Apfelbeck-Züchtungen zur Verfügung standen.


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Für welche Klientel die Mustang entwickelt wurde, können wir in der Ausgabe 09/1957 des österreichischen „Motorrad“-Magazins nachlesen: „Kronreif und Trunkenpolz in Mattighofen (aus den Anfangsbuchstaben setzt sich bekanntlich der Name der Marke zusammen) haben wieder einmal ihren Idealismus in die Tat umgesetzt. Es ist kein Geheimnis geblieben, daß man sich heute an Wertungsfahrten größeren Stils nur mehr mit speziell zurechtgemachten Wertungsmaschinen mit Aussicht auf Erfolg heranwagen kann. Mit Neid sehen die vielen „Privatfahrer“ auf die von den betreffenden Motorradwerken vorbereiteten Werksmaschinen der „Werksfahrer“ – auch wenn es sich manchmal nur um Privatfahrer handelt, die von einem Werk oder einer Firma Unterstützung genießen.


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Man braucht nicht lange zu orakeln, daß der Neid und die Mißgunst unter den Fahrern unserem Motorsport nicht sehr zuträglich sein können. Aber was kann man tun, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden – teure Geländemodelle anbieten, die sich wieder nur wenige Sportler erwerben können? Kronreif und Trunkenpolz wählten einen anderen Weg: sie legten eine kleine Serie einer Vollblut-Wertungsmaschine auf und verzichteten von vornherein auf jeden bürgerlichen Gewinn, nach dem Grundsatz, daß der Sport nicht nach kaufmännischen Grundsätzen gemessen werden kann. - Jeder Motorsportler, der nachweist, daß er mit der Maschine am Wertungssport teilnehmen wird, kann sich für S 8.990,– die KTM „Mustang“ kaufen, deren Gestehungskosten höchstwahrscheinlich über dem angegebenen Preis liegen!

Eine vollwertige Wertungsmaschine um den Preis einer handelsüblichen 125er herzustellen (zum Vergleich: die Grand Tourist kostete damals S 7.490,–), das konnte nur den Mattighofenern einfallen. Die vielen Nachwuchsfahrer werden dem Werk natürlich dafür dankbar sein und sich freuen, dass sie maschinenmäßig den Werksfahrern nicht nachstehen brauchen.“


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Basis der Geländemaschine war wie schon angemerkt die Grand Tourist mit dem sehr robusten Profilrahmen und dem verstärkten Steuerkopflager. Nicht nur verstärkt, sondern auch verlängert die Hinterradschwinge, die zusammen mit der Schwinge vorne und dem hochgezogenen Auspuff sofort das Einsatzgebiet erkennen lässt. Für den Antrieb sorgt der bewährte Sachs/Rotax-Zweitaktmotor, dessen Leistung ebenso wie bei der Tarzan von 6,5 PS der Normalversion auf 8 PS angehoben wurde. Speziell für die Mustang wurde das Vierganggetriebe entwickelt, dessen erster Gang eine Steigfähigkeit von alpinen 38% garantierte. Ein separater Öltank sorgt für die permanente Schmierung der freiliegenden Antriebskette.


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Benutzerfreundlich die Befestigung des Lenkers: bei einem Sturz dreht der sich auf die Seite und gräbt sich nicht mehr in die Magengrube des Fahrers. Muss der Pilot Reparaturarbeiten verrichten, so öffnet er einen Reissverschluss am hinteren Ende der Sitzbank und findet dort einen kompletten Schlüsselsatz. Der Sattel ist übrigens schwarz gepolstert, wogegen Rahmen und Scheinwerfer silbern, alle sonstigen Teile (Kotbleche, Benzin- und Öltank) knallrot glänzen.


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Bekanntester Mustang-Treiber war also Erwin Lechner. Der 1933 in Hallein geborene Lechner begann seine berufliche Karriere zwar mit einer Lehre als Elektriker (bei den Solvay-Werken), hatte später aber auf Mechaniker umgesattelt. Bei regionalen Wertungsfahrten war der junge Erwin dem damaligen Obmann des ARBÖ Hallein – Ernst Kronreif – aufgefallen, der ihn zu KTM holte. Und zwar als Mechaniker, Testfahrer, Designer, und nicht zuletzt Werksfahrer. 1955 holte Lechner seinen ersten Staatsmeistertitel, sieben weitere sollten folgen. Lechner war auf der Straße ebenso erfolgreich wie im Gelände, dort nicht nur bei Wertungsfahrten, sondern sogar bei Moto Cross-Läufen. Privat nahm Lechner darüber hinaus mit seinem privaten 2 Liter Maserati an Automobil-Bergrennen teil. 1961 errang Lechner seinen letzten Staatsmeistertitel, blieb KTM aber als Verkaufsleiter erhalten – erst Ende der 70er-Jahre wechselte er als Geschäftsführer zu Sachs Austria.


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Leider ist es uns nicht gelungen, eine Lechner- Mustang der allerersten Serie vors Objektiv zu bekommen. Dafür konnten wir vier andere Blechpferde ablichten, die zwar unterschiedlich vom Typ sind, aber eines gemeinsam haben: sie wurden irgendwann von Helmut Helten restauriert oder zumindest fahrbereit gemacht. Der umtriebige Helten absolvierte eine Mechanikerlehre in einem Welser Betrieb, besuchte dabei die Berufsschule in Mattighofen. Dort kam er in Berührung mit den Assen von KTM wie Lechner oder Pauli Schwarz. Damals schon wuchs seine Begeisterung für das Mattighofener Unternehmen, die bis heute anhält und ihn immer noch mit Hochachtung für die damals beteiligten Proponenten erfüllt – trotz einer Misere mit seinem Mecky Moped, das er sich als erstes eigenes Fahrzeug erkor, damals aber eines der frühesten Modelle erwischte, mit dem Apfelbeck-Motor, Seriennummer 16. Dieses Mecky trug mit Schuld, dass er ständig zu Gast in Mattighofen war – es litt unter permanenten konstruktionstechnischen Mängeln und musste häufig überarbeitet und repariert werden.


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Sein Mecky selbst reparieren zu können war aber nicht der Grund, aus dem sein beruflicher Lebenslauf als nächste Station die Reparaturabteilung von Rotax aufzeigt. Die Rotax-Werke stehen eben in Gunskirchen, und das ist Helmuts Heimatort. Nach acht Jahren wechselte er dort in den Versuch und bekam es dabei wieder mit KTM zu tun, die ja von Rotax Motoren bezogen, und wo permanent an deren Leistungspflege gearbeitet wurde. 1972 wurde in Gunskirchen mit neuen Drehschieber-Rennmotoren neu durchgestartet, an denen Helmut dienstlich und privat zu schrauben hatte: 1969 hatte er – immerhin schon fast 30 – am Gaisberg eine Motorsportkarriere gestartet, die ihn in den folgenden Jahren auf Rotax viele Rennpisten Europas kennen lernen ließ.

Aber zurück zur Mustang, und hin zu unserem ersten Fotomodell, das heute dem KTM-Werksmuseum gehört. Helmut hat die 125er seinerzeit in Golling aufgespürt, wo sie eine Hochwassersituation in einem Keller überstehen musste: bis zu den Rädern „Land unter“, beim Entlüftungsschrauben war das Wasser eingedrungen und hatte das Getriebe zerstört. Lediglich der Motor war quasi „unbeleckt“ geblieben. Bei der Restauration hat Helten sie schwarz/beige lackiert – mit verchromten Kotflügeln. Auch die unverkapselten Dämpfungsfedern sind nicht serienkonform.

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 Bei der zweiten Mustang handelt es sich ebenfalls um eine 125er, sie hat allerdings das Licht der Motorradwelt 1958 als biedere Trophy erblickt. Helmut hat sie zu einer Mustang „umgewidmet“. Sie läuft vermutlich besser als ein Original, weil wenn Helmut „restauriert“, dann verbessert er auch – was bis zu neuen Kurbelwellen oder Getriebezahnkränzen geht. Das muss die knallrote Mustang allerdings derzeit nicht beweisen, sie steht im Motorradmuseum Vorchdorf zur Besichtigung.

Die dritte Mustang stammt aus dem Jahr 1959, es ist das derzeit letzte Helten zugelaufene Wildpferd. Sie präsentiert sich in schwarz mit rotem Tank. Laut originalem Typenschein ist es eine 150er mit 9 PS Leistung – bis auf den größeren Zylinder mit Kolben ist sie baugleich mit der 125er.


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Das letzte Fotomodell gehört Heinz Gruber – seinerzeit Mitbegründer des Militärmuseums in Ardagger. Deshalb präsentiert sich seine 150er (die im Zuge der Restauration von Helmut Helten verkabelt wurde) auch in Uniform. Es ist eine von 120 Gelände-KTMs, die für das österreichische Bundesheer gebaut wurden. Heinz erzählt uns auch, wie es dazu kam: 1955 stellte KTM dem Bundesheer eine Grand Tourist zur Verfügung, die in der Martinek-Kaserne in Baden ausgiebig geprüft wurde. Aufgrund ihrer Erkenntnisse erstellten die Tester ein Weißbuch, in dem alle Anforderungen an ein Bundesheer- sprich geländetaugliches Zweirad aufgelistet waren. Im Jänner 1957 lieferten die Mattighofener 40 Motorräder, die diese Anforderungen erfüllten, sich aber von der später im Jahr vorgestellten käuflichen Mustang in Details – wie z. B. dem 150 ccm großen Motor – unterschieden. Die Bezeichnung „Mustang“ trugen die graugrünen 2-Takt-Kameraden auch noch nicht, im Typenschein steht schlicht „R 150“ – aus ihr entstand 1958 das Straßenmodell „Trophy“, bei der aber wieder der bei KTM im Haus gebaute Frankfurter Topf für Geräuschdämpfung sorgte.


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Unser Modell stammt aber aus der zweiten Serie, die im Umfang von 80 Exemplaren an das Bundesheer ging, und die dort am 24. März 1959 angemeldet wurden. Sie hießen jetzt offiziell KTM W 150 Mustang – so steht es auf dem Typenschild und auch im Typenschein, wo die Leistung mit 8,1 PS angegeben ist und wo auch das (nachgemachte) Kennzeichen W 172-009 belegt ist. Die Unterschiede zur ersten Serie sind gravierend: Zuerst zu nennen sind vor allem das Viergang-Getriebe und die Doppelsitzbank. Weil die Motorräder weniger in unwegsamem Gelände eingesetzt wurden, sondern meist zur Panzerbegleitung dienten, wurde der Auspuff nach unten verlegt und der Lenker ist niedriger. Die W 150 braucht keinen Ölbehälter, hat dafür einen Gepäcksträger und jetzt auf beiden Seiten eine Werkzeugkiste, der Kettenschutz ist nach unten gezogen, und zusätzlich zum Seiten- hat sie auch einen Kippständer. Sie verfügt über einen Lenkungsdämpfer, der Radstand wurde gegenüber der R verlängert, und sie muss Seitentaschen schleppen – die bei unserem Modell zwar vorhanden, aber nicht montiert sind.


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1969 wurden die Ws beim Bundesheer außer Dienst gestellt und in ein Depot zwischengelagert. Mit ihrem Verkauf wurde das Dorotheum beauftragt. Die wenigstens wurden allerdings versteigert, weil Feuerwehren eine Art Vorkaufsrecht hatten und die KTMs zu einem sehr günstigen Fixpreis erstehen konnten – wovon auch viele Gebrauch machten. Auch bei der hier im Bild gezeigten Mustang blitzt es an manchen Stellen verdächtig rot unter der Tarnfarbe hervor...


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KTMs Erfolge im Geländesport sind legendär und halten bis heute an. Die Mustang war daran allerdings nicht mehr beteiligt. 1960 war der Absatz von Motorrädern drastisch gesunken, KTM stoppte die Weiterentwicklung der Werksmaschinen und stellte die Fertigung von Motorrädern generell ein. Auch ein angekündigter größerer Heeresauftrag kam deshalb nicht mehr zustande. Neben Fahrrädern liefen dafür verstärkt Mopeds vom Band, besonders der Mopedroller Ponny wurde zum Zugpferd. Der Name Mustang überlebte auf einer Comet 50 mit hochgezogenem Auspuff. „Echte“ 50er Mustangs teilen aber das Schicksal mit den namensgebenden Wildpferden: sie scheinen ausgestorben zu sein …

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