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Donnerstag, 28. März 2024
Blech – des Spielzeugs interessanteste Art Drucken E-Mail
Geschrieben von Martin Winterle   

Heft bestellen - Blech – des Spielzeugs interessanteste Art

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Wir, die Zugehörigen der reiferen Sammlergeneration, besaßen in der Kinderzeit Blechspielzeug. Kaum zu glauben, aber wir spielten wirklich damit. Heute, Jahrzehnte später, zaubert der
Anblick dieser Begleiter der Kinderzeit immer noch ein entrücktes Lächeln um die Mundwinkel.

Unter meinen Sammlerfreunden befinden sich etliche, die dieser Faszination erlegen sind. Ihre Erzählungen über das „Wieso“ extra diese Art zur Leidenschaft wurde, begeistert mich immer wieder neu. Lange habe ich überlegt, wen ich zu diesem Thema die Einleitung formulieren lassen könnte. Da ich selbst nur wenige dieser wundervollen Stücke besitze, meine Kenntnisse darüber bestenfalls grundlegende sind, möchte ich dies ausnahmsweise nicht selbst tun.


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Nichts schien mir letztlich so treffend zu sein, wie den bedeutenden japanischen Sammler -Teruhisa Kitahara persönlich zu Wort kommen zu lassen. Im Vorwort seines Werkes „1000 Tin Toys“, erschienen 1996 im Benedikt Taschen Verlag GMBH, beschreibt er zum Beginn seiner Sammlerlaufbahn in den 1970er-Jahren unter anderem folgendes: „Einige Jahre bevor ich zum leidenschaftlichen Sammler wurde, hielt ich mich zum Schiurlaub in Innsbruck auf. Untergebracht war ich bei einer Familie, in deren Haus noch die alten Töpfe an den Wänden hingen, die über Generationen zum Kochen benutzt worden waren. Ich war tief beeindruckt, welche Wertschätzung in Europa handwerklichen Erzeugnissen entgegengebracht wird. Alte Gegenstände, beispielsweise Möbel, werden mit großer Sorgfalt gepflegt und weitervererbt, während in Japan eine absolute Wegwerfmentalität herrscht. Jede Ehrfurcht vor Gebrauchsgegenständen ist dort unbekannt. Ich hingegen fühle mich für jedes einzelne meiner Blechspielzeuge verantwortlich und stehe in dieser Tradition des Bewahrens.“


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Mit der in Japan zur Begrüßung üblichen Verneigung danke ich als gebürtiger Innsbrucker Teruhisa Kitahara für sein großes Kompliment, das er meiner Heimatstadt gemacht hat.

Wer Bildbände wie den oben zitierten studiert, wird als Liebhaber alten Spielzeugs die geforderte Wertschätzung gerne zollen. Diese Achtung der kunstvollen Fertigung geht weit über das profane Wertedenken hinaus. Egal, ob drehendes Karussell, Ball spielender Popeye the Sailor oder Ferrari mit beleuchteten Scheinwerfern.


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Neben Produkten für den täglichen Gebrauch wurde seit dem 19. Jahrhundert aus Weißblech auch Spielzeug hergestellt. Die einzelnen geformten Bauteile wurden verlötet und von Hand lackiert. Die aufwendige Herstellung in Hand-arbeit hatte ihren Preis. Die beiden bedeutendsten Veränderungen stellte einerseits der ab 1890 einsetzende Lithographiedruck anstelle der Handbemalung, zum zweiten das Verbinden der einzelnen Bauteile durch Blechzungen, ab Beginn des 20. Jahrhunderts dar.


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Die heute in Museen gezeigten Eisenbahnen, Puppenküchen, Flugzeuge, Automobile, figürlichen Darstellungen mit bereits einfachen, später raffinierten mechanischen Funktionen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, repräsentieren exakt den spielerischen Zeitgeist. Zu Recht stammen sie aus der Epoche der ersten Hochblüte.

Mit den 1930er-Jahren, nach Beendigung der Weltwirtschaftskrise änderte sich, gesteuert durch die erneut beginnende Militarisierung, auch die Spielzeug-Mode. Modelle von Geschützen, Panzern, Mannschaftswagen bereiteten spielerisch auf kriegerische Auseinandersetzungen bereits im Kindesalter vor. Es war aber auch die Periode technisch ausgefeilter Konstruktionen, beispielsweise von SCHUCO. Die Firma TIPP & CO ermöglichte eine Fahrt auf der Reichsautobahn am Küchentisch. Bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Baumuster, soweit nicht durch Kriegseinwirkung zerstört oder geplündert, weiter angeboten und verkauften sich weltweit.


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Eine geradezu magische Anziehungskraft auf manche Sammler üben die damals vorgeschriebenen Herkunftsangaben wie „Made in U.S. Zone Germany“ oder die spätere „Made in Western Germany“ aus. Wundert niemanden, handelte es sich doch um endlich in Frieden erzeugte deutsche Wertarbeit.

Trotzdem war mit Beginn der 1960er-Jahre der Niedergang der Blechspielwaren-Produktion in Deutschland nicht mehr aufzuhalten. Während manche gänzlich aufgaben, konnten sich andere durch Umstellung auf Kunststoff noch einige Zeit am Leben erhalten.


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An die Stelle Deutschlands trat Japan. In Japan wurden bereits seit den 1890er-Jahren Spielwaren aus Weißblech hergestellt. Der größte Teil der fernöstlichen Produkte nach 1945 landete auf den amerikanischen Märkten. Aber auch in Europa standen in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser die bunt schillernden, exotischen Spielzeugautos mit ihren verlockenden Spielmöglichkeiten zum Kauf.

Ein Mittelding zwischen den teuren, meist auch größeren Spielzeugautos und den billigen kleinen, in England Pennytoys genannten Mitbringsel liebenswerter Großmütter, bildeten die Spielwaren von Kellermann CKO. Diese bereits 1920 von Georg Kellermann in Nürnberg gegründete Fabrik, bot bis 1979 eine Reihe von Blechautos an. Teilweise mit Schwungradantrieb in den Autolacken nicht unähnlichen Farben entstanden im Größenverhältnis von etwa 1:35 große Modelle. Von 1960–1979 wurden, nach überwiegend deutschen Vorbildern, Personenwagen, Lastwagen, Kräne und Busse gebaut. CKO-Autos wurden neben Ladengeschäften auch von Marktfahrern feilgeboten. Um 1965 herum kostete ein VW Transporter-Pritschenwagen in blau bei einem dieser Wanderhändler 15 Schilling, was heute 1,10 Euro entspricht. Ich erinnere mich deshalb so genau daran, weil ich ihn trotz intensivem Bettelns nicht bekam.


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Kleine Spielwaren aus buntem Blech gab es neben den großen Träumen bereits vor mehr als 100 Jahren. Besonders in England waren diese – Pennytoys – sehr beliebt. Die Nürnberger Blechspielzeug-Hersteller belieferten über ihre Großhändler aber auch Weihnachtsmärkte und den berühmten Wiener Prater. Im Gegensatz zu den Großmodellen, die Herkunftsbezeichnungen aufwiesen, fehlte eine solche bei den Groschenmodellen. Der Grund lag darin, dass Grossisten den Schein der Eigenproduktion erwecken wollten. Wohl um zu umgehen, dass Einzelhändler sich direkt an die Erzeugerfirmen wenden könnten. Auch wenn die große Zeit der kleinen Schätze zwischen 1895 und 1915 anzusiedeln ist, wurden sie bis Ende der 1970er hergestellt, allerdings letztlich nicht mehr in „Western Germany“.


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War auch die Fertigungsqualität eine sehr hohe, andauernder Spielbetrieb führte zu Beulen und Kratzern genauso wie zum Verlust ganzer Bauteile. Diese Tatsache bildet die Basis der hohen Preise für unbeschädigte Exemplare. Teuer wird es, wenn die originale Verpackung auch noch vorhanden ist.

Mit der Aussiedelung der Produktionen, zuerst hinter den Eisernen Vorhang, später nach China, endet das Interesse ernsthafter Sammler an neueren Produkten, meist ohnehin qualitativ schlechteren Nachbauten.

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