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Freitag, 26. April 2024
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Geschrieben von Christian Sandler   

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8652 Meter Länge und 672 Meter Höhenunterschied: Wir besuchen das Gaisbergrennen vom 28. Juni 1964

Im Jahre 1964 stieg Österreich zu einer Großmacht in Sachen Sportveranstaltungen auf. Im Februar fanden in Innsbruck die Olympischen Winterspiele statt, bei denen unser kleines Land im Medaillenspiegel den zweiten Rang hinter der damaligen Sowjetunion belegte. Die Goldenen von Egon Zimmermann, Christl Haas, Pepi Stigler, Josef Feistmantl und Manfred Stengl sind noch manchen in Erinnerung.

Im August gab es auf der „Waschrumpelpiste“ am Zeltweger Flughafen den ersten Formel 1- Weltmeisterschaftslauf in der Alpenrepublik. Sieger wurde Lorenzo Bandini auf Ferrari. Zwei Monate davor, am 28. Juni, fand am Gaisberg ein Rennen zur Bergeuropameisterschaft statt. Das Rennen am Salzburger Hausberg war der 3. Lauf in dieser spannenden Saison, nach Rossfeld und Mont Venteux. Beide Rennen gewann der Europameister vom Vorjahr, Edgar Barth auf Porsche. Alle großen Namen, nicht nur aus Österreich, waren vertreten. Rolf Markl, Karl Wendlinger, Johannes Ortner, Gotfrid Köchert und Dr. G. Placheta waren die heimischen Heros. Hinter Placheta verbirgt sich niemand anderer als Dr. Gunther Philipp, ein bestens bekannter Schauspieler, der sogar als Schwimmer 14 Jahre lang den österreichischen Rekord hielt. Zwei Wochen vor dem Training wurden die Abschnitte beim Zwingergraben und bei der Mödlhammerkurve neu asphaltiert. Durch diese Maßnahme sollte Mitters Rekord aus dem Jahre 1962 unterboten werden, die Schallmauer am Gaisberg lag bei 4:20 min. Schon im Training haben die Porsche-Werksfahrer Edgar Barth (Porsche RSK) und Herbert Müller (Elva-Porsche) zugeschlagen. Beide starteten in der Klasse Sportwagen bis 2 Liter Hubraum, wobei Barth mit 4:18,1 einen neuen Streckenrekord aufstellte. Die stärkeren Ferrari von Köchert und Placheta waren im Training um etwa 20 Sekunden langsamer. Köcherts Ferrari 250 LM, baugleich mit Rindts Le Mans-Siegerwagen von 1965, wanderte im Laufe der Jahre durch mehrere Sammlerhände, bis er schließlich bei einer RM Auktion 2008 um 4,5 Millionen Euro nach Argentinien verkauft wurde. Spannend sollte auch das Rennen in der GT-Wertung werden, bei der alleine 7 der nagelneuen Porsche 904 GTS gemeldet waren. In den 60er- und 70er-Jahren war es auch erlaubt, unter einem Pseudonym zu starten. Ein Blick in das offizielle Rennprogramm bringt lustiges zum Vorschein: „Driver“, „Pierre“, „Kurt“, „Elefant“, waren einige der besonderen Teilnehmer. Am Renntag pilgerten an die 20.000 Rennfans, in „Sonntagskleidung“, bei schönem Bergwetter zum Gaisberg, um sich einen spannenden Renntag zu gönnen.


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Edgar Barth, auf seinem 8 Zylinder-Porsche, war nicht zu schlagen und verwies seinen Teamkollegen Herbert Müller (Stumpen Herbie) um satte 11 Sekunden auf Platz 2. Ursprünglich hätte Barth den Elva-Porsche fahren sollen, aber die Porsche-Strategen ordneten einen internen Wagentausch an. Mit Platz 3 fuhr Charles Vögele (der aus der Textilbranche) mit seinem Lotus Monte Carlo mitten in die Phalanx der Porsche, 2 Sekunden hinter Müller. Knapp dahinter, auf den Rängen 4 und 5, landeten Heini Walter und Michael Weber in ihren neuen, extrem leichten, Porsche 904 GTS. Der Leichtbau bei Bergrennwagen wurde in den folgenden Jahren immer extremer. Ende der 60er-Jahre waren Raketen am Start, die knapp unter 400 kg wogen, dafür hatten sie aber 280 PS zur Verfügung. In der S-Kurve bei der „Bauernwiese“ streifte der Lotus 23 (mit Ferrari-Motor) von Harry Zweifel einen Kilometerstein, stellte sich quer und blieb mitten auf der Fahrbahn stehen. Der hinter ihm startende Toni Fischhaber wurde nicht rechtzeitig gewarnt und übersah das Hindernis. Um einen Zusammenprall zu vermeiden, entschied er sich für einen Hechtsprung ins Gebüsch, samt Lotus 23.


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Der PS-Zauberer Josef Schnitzer aus dem nahegelegenen Freilassing war erstmals in einer Startliste zu finden. Prompt fuhr er, mit dem von ihm getunten BMW 1800 TI, in der TW-Klasse bis 2000 ccm einen souveränen Sieg entgegen, 40 Sekunden vor dem Zweiten.

Wo landeten die Österreicher? Gotfried Köchert blieb nicht verschont, er streifte bei der Mödlhammerkurve einen Felsen und wurde zur Aufgabe gezwungen. Rolf Markl wurde im Lotus Elan, in der GT-Klasse bis 1600 ccm, Vierter. Die TW-Klasse bis 700 ccm gewann Johannes Ortner. Dr. Gunther Philipp fuhr zwei tadellose Läufe im Ferrari Berlinetta, Gesamtzeit ließ sich keine eruieren und belegte letztendlich Platz 11 in der Gesamtwertung. Bei den GTs bis 1000 ccm siegte „Driver“ auf Abarth. Bester Österreicher mit Platz 10 im Gesamtergebnis wurde der Innsbrucker Walter Schatz auf Lotus 23.


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Bergeuropameister im Jahre 1964 wurde, wie im Vorjahr und 1959, Edgar Barth. Barth starb viel zu früh mit 48 Jahren, im Jahre 1965, an  einem Krebsleiden. Sein Sohn Jürgen Barth, ein Porsche-Urgestein, setzte die Karriere seines Vaters fort. Er wurde selbst ein erfolgreicher Rennfahrer und gewann unter anderem die 24 Stunden von Le Mans 1977.

Photos: Christian Sandler, Technisches Museum Wien

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