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Freitag, 29. März 2024
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Geschrieben von Jürgen Splet   

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Chapter two – rund um den PS-Speicher Einbeck.

 

Rückblende 1

Als Feinschmecker im Bereich der Vehikel von oft trauriger Gestalt und mit eher geringer Motorleistung, war mir der Begriff „Störy“ natürlich ein Begriff, auch wenn ich selbst nie vor Ort anwesend war. Familie Künnecke hatte dort ein Kleinfahrzeugmuseum der Extraklasse zusammengetragen und zudem ein jährliches Zusammentreffen mit anderen Liebhabern dieser speziellen Fahrzeuggattung ins Leben gerufen, welches im wahrsten Sinne des Wortes weltweite Resonanz hatte. Etliche Scharmützel mit örtlichen Behörden bezüglich des Museums führten schlussendlich zur resignativen Schließung desselben, womit auch die jährlichen Treffen Geschichte waren.

Rückblende 2

In Einbeck – nur etwa 50 km von Störy entfernt – etablierte sich derweilen eine Sammlung, die schon bald alle Grenzen  sprengte. Der örtliche historische Kornspeicher wurde als Fahrzeugmuseum von einem Sammler der Extraklasse (was sowohl Enthusiasmus als auch finanzielle Mittel anbelangt) revitalisiert  und auch rundum die heutzutage unerlässliche Infrastruktur für Events etc. geschaffen. Weiters wurden weitere, z.T. brachliegende Industrieliegenschaften des Umlands mit Sammlungsobjekten gefüllt und zu „Depots“ erklärt. Und wie es so kommt, erfuhr besagter Herr Rehkopf auch von der im Dornröschenschlaf ruhenden Sammlung an Kleinfahrzeugpretiosen in Störy. Die öffentliche Präsentation war zwar geschlossen worden, aber die Objekte selbst waren noch immer vorhanden. Und gerade in diesem Bereich gab es noch schmerzliche Lücken in der vorhandenen Sammlung in Einbeck. Woraus schlussendlich eine Win-Win-Situation resultierte: Die Fahrzeuge aus Störy übersiedelten nach Einbeck, erhielten dort nicht nur eine Sonderschau, sondern auch ein viel breiteres Publikumsinteresse, als in dem Privatmuseum für Spezialisten und Familie Künnecke wusste ihre Schätze in besten Händen!

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Jetztzeit

Nun war es ein logischer weiterer Schritt, auch die Tradition des Kleinstfahrzeugtreffens fortzuführen. Diese Veranstaltung erlebte ihre Premiere im Jahr 2018 und daher gab es dieses Jahr die zweite Auflage desselben – ich allerdings erfuhr zum ersten Mal davon – und zwar über das vielgeschmähte Portal Facebook. Man mag dazu stehen, wie man mag – aber für das Oldtimerhobby ist diese Plattform mit ihren mannigfaltigen Spezialgruppen ein wahres Füllhorn an Informationen und viele Veranstaltungen der jüngeren Szene rekrutieren sich beinahe ausschließlich über Nachrichten auf dieser und ähnlichen Plattformen. Mag vielleicht ein Grund sein, warum gerade die Herren sehr oft über Nachwuchsmangel im Oldtimerhobby klagen, die im gleichen Atemzug eine Teilnahme an diesen neuen Medien entrüstet ablehnen …Sie sind einfach außen vor! Aber ich schweife wieder ab …

Wenn ich schon die Teilnahme an den „klassischen“ Treffen nie wahrgenommen hatte, so wollte ich mir zumindest diese Neuauflage nicht entgehen lassen. Kleiner Hintergedanke: Im Jahr 2020 feiert der österreichische KARO-Club sein 60-jähriges Bestandsjubiläum, wofür auch vor Ort die Werbetrommel gerührt werden sollte. Daher war auch der Obmann des Vereins – Werner Heidrich – rasch davon überzeugt, mit mir gemeinsam zu reisen; meine Gattin hatte leider zu diesem Termin andere Pläne …
 
Ursprünglich war geplant, mit einem Reliant Robin Dreirad auf Achse anzureisen – ca. 800 km sind für diese Fahrzeuge nicht wirklich ein Problem, eher für die Passagiere, welche eine gewisse Leidensfähigkeit in Sachen Bewegungsunfähigkeit an den Tag legen müssen. Doch knapp vor dem Termin schwächelte das auserkorene Fahrzeug in einigen viralen Bereichen (z.B. Motoröl), sodass die erste Umplanung fällig war – der NSU-Prinz 4 mit Schiebedach sollte diese Tour unter die Räder nehmen – mit immerhin 30 PS eines der komfortabelsten Kleinfahrzeuge der alten Schule!


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Dann kam die Wettervorhersage – heiß, heiß, heiß! Und mein Freund meinte: „Pack den NSU auf den Anhänger und wir fahren mit meinem Kombi mit Klima!“ Da luftgekühlte Motoren mit heißer Kühlluft ohnehin nicht optimal kooperieren, gab ich nach – ich werde auch langsam alt! – und so fuhren wir sehr früh morgens los, um diverse Staus zu vermeiden. In Brno war erwartungsgemäß noch nix los, in Praha war um 7 Uhr etwas Stau, aber eher unauffällig – und dann nach Dresden und Leipzig war’s 1. sehr heiß und 2. sehr zu – die Autobahn nämlich. Dreispurige Sperre und kein Schatten weit und breit … Dieser Stau sollte uns ca. 1,5 Stunden aufhalten – ein Unfall mit komplettem Rahmenprogramm (von dem wir aber danach nicht mal mehr Bremsspuren sahen!) – und der Fortschritt zeigte sich von seiner besten Seite: Früher wurden die Motoren im Stau abgestellt, heute nicht mehr, es funktioniert ja sonst die Klimaanlage auch nicht …

Mein Freund meinte, sein Navi zeige ihm einen guten Weg quer durch, wo wir etwas Zeit gutmachen könnten … also verließen wir den von mir zuvor auf der Straßenkarte rausgesuchten Pfad und begaben uns in die Hände moderner Elektronik – welche uns gut 80 km weiter fern aller bekannten Stätten mittels eines grauen Bildschirms den Stinkefinger zeigte. Also raus mit dem alten Straßenatlas und Standortbestimmung: Wo sind wir – und wo ist unser Fahrziel? Ok, wir waren eigentlich zu weit östlich und nördlich – soviel zum besseren Weg … Danach folgte das Drama: Kartenlesen des Beifahrers in zunehmender Verzweiflung („Ich seh da nix!!!“), während ich die Fuhre mit Sonnennavigation durch teils wegweiserlose Gefilde lenkte. Es ist eine eigene Spezialität der Deutschen, die Bezeichnungen auf Wegweisern nicht von Kreuzung zu Kreuzung durchzuziehen – und mit den Nummern der Straßen sind sie auch sehr geizig, ganz im Gegensatz zu den Tschechen. So kam es, dass wir erst gegen 15 Uhr beim Quartier einlangten und eine weitere Stunde später das Nennbüro erreichten, nachdem wir um 3.30 Uhr morgens aufgebrochen waren!

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Ok, der Freitag war dann mal quasi vorüber, was uns aber nicht davon abhielt, am Parkplatz der campierenden Teilnehmer einige sehr unterhaltsame Stunden zu verbringen. Außerdem aß ich die erste Curry-Wurst meines Lebens – naja eine „Stehhaße“ ist es nicht, aber so doch ganz gut. ;-)

Nachdem wir nach dem Abendbrot das Abendrot bewundert hatten, gab es in der Nacht noch ein Gewitter. Trotzdem war der Wagen des Morgens immer noch etwas staubig – nicht mal auf Unwetter ist heutzutage mehr Verlass! Sei’s drum, ein Frühstück brachte die Lebensgeister auf Trab, die Temperatur war sehr angenehm abgeflaut und nach unserem Einlangen am Museumsgelände kamen noch viele weitere Besucher dazu, ehe mittels einer kurzen Ansprache (für welche ein Goliath-Lieferdreirad mit Pritsche als Bühne diente!) das Treffen offiziell eröffnet wurde.


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Die Rundfahrt – ein fixer Bestandteil aller Oldtimerveranstaltungen, so auch hier – führte in den Bereich südlich von Einbeck. Die Gegend ist durchaus mit dem Grenzgebiet Weinviertel/Waldviertel vergleichbar, kleine Orte, Hügel führen auf und ab und die kleinen Fahrzeuge hielten sich gar wacker – selbst die Kleinschnittger mit Beifahrer(!) stemmten ihre 125 ccm gegen die „Bergpassagen“ und hielten recht flott mit. Wir fuhren einen Teil der Strecke hinter einer sehr schönen Heinkel-Kabine einher, irgendwann überholten wir dann aber, um weiter vorne einen guten Standort für Fotos zu bekommen. Und ja, es gelangen uns noch ein paar schöne Bilder – auch deshalb, weil wir zuvor eine große Gruppe passierten, die bei einem Goggo mit Reifenpanne gehalten hatte. Dies dürfte meines Wissens die einzige gröbere Panne aller Teilnehmer gewesen sein. Das Ziel der Mitttagsrast war das Hotel „Am Rothenberg“ in Volpriehausen, eine Gemeinde, die vor etlichen Jahrzehnten noch über 2500 Arbeitsplätze besaß und nunmehr knapp über 1000 Einwohner aufweist! Das Hotel und seine Umgebung ist mit allerlei Sehenswürdigkeiten auch so mal eine Reise wert – ich schätze, die nächste Reise nach Einbeck wird auf gut eine Woche angelegt … – doch zurück zum aktuellen Geschehen!

Tatsache ist: Ich habe im hoteleigenen Doppeldecker-Aussichtsbus die zwar kürzeste, aber mit Abstand schrägste Stadtrundfahrt meines Lebens genossen – mehr verrate ich nicht – ist eigentlich auch nicht beschreibbar – das muss man erlebt haben!

Nach dem wohlschmeckenden Mittagessen in der Köhlerhütte inmitten des Kreises der (überraschend) anwesenden Österreicher machten wir uns rasch auf den Rückweg – wir wollten unbedingt noch den LKW-Speicher ansehen, ehe die Fahrzeugparade uns zum Speicher zurückzwang.


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Auch hier galt – da kannst locker einen Tag drinnen verbringen, das ist eigentlich unpackbar! Nicht umsonst darf sich diese Sammlung mittlerweile als das größte Fahrzeugmuseum weltweit betiteln – auch wenn mancher museale Schrottplatz wohl über mehr Exponate verfügen mag –, aber dort werden die Fahrzeuge ja auch nicht geschützt erhalten! Und was macht man nach der Parade mit Fahrzeugpräsentation? Erraten: Noch ein Museumsbesuch – diesmal im Speicher selbst. Auch da nur ein „Schnelldurchlauf“ in dem Bewusstsein, in absehbarer Zeit wiederzukommen und dann bewusst genügend Zeit einzuplanen … Aufgrund des milden Schönwetters – es war warm, aber nicht zu heiß – folgte noch ein gemütlicher Tratschabend, bei dem auch einige neue Kontakte geschlossen wurden; die Reise hatte sich in jeder Hinsicht gelohnt.

Da der Sonntag auch im Veranstaltungsprogramm nur der Abreise gewidmet war, starteten wir schon gegen 6.00 Uhr morgens zur Rückfahrt, um etwaigen Staus usw. auszuweichen – ich hatte eine schöne Route durch die ehemalige Grenzregion BRD/DDR rausgesucht. Nach mehreren sehr weitläufigen Umleitungen (z.B. statt 3 km ca. 20 km) bogen wir entnervt auf die Autobahn ab – um sodann alsbald in einem Unfallstau festzustecken – für mehr als eine Stunde. Laut Verkehrsfunk war dies der einzige Unfallstau auf weiter Flur … Naja … Die Idee von Werner, dann nicht über Dresden, sondern gleich über Chemnitz zu fahren, bescherte uns ein Extra-Foto mit Blitz und ließ uns noch einige Straßen dieser Stadt kennenlernen, die nicht direkt am Weg lagen … immer wieder schön, wenn Baustellen das normale Verkehrschaos ausweiten. Nach dem Chaos der deutschen Straßen ENDLICH in der Tschechischen Republik! Ab da ging es problemlos weiter bis nach Österreich; auch die vielen Autobahnbaustellen waren kein Problem, da sie zweispurig geführt wurden. So hatten wir wieder die Freude, für die ca. 800 km laut Routenplaner im Endeffekt beinahe 12 Stunden zu brauchen – das wird zur Gewohnheit …! Eigentlich weine ich der Zeit nach, als es „Auto im Reisezug“ in einer Vielzahl von Destinationen gab – diese Methode ist beinahe ausgestorben!

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Conclusio


Der PS-Speicher Einbeck und seine bildhübsche Umgebung sind mehr als eine Reise wert – die Mitnahme von Campingausrüstung für die deutschen Autobahnen erscheint allerdings angebracht. Und der 60. Geburtstag des KARO-Club Österreich, bei dem wir doch hoffen, ebenfalls eine erkleckliche Anzahl sehr interessanter Kleinfahrzeuge begrüßen zu dürfen, sollte ebenfalls bereits jetzt in den Kalender des Jahres 2020 eingetragen werden. Es gibt keine Zeitprobleme, das Eine ist Ende Mai, das Andere wieder Mitte Juni! Ich freu’ mich eigentlich schon auf beides – mit Reliant! Und wen darf ich noch begrüßen?

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