Lancia Beta |
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Geschrieben von Thomas Herbsthofer | |
Heft bestellen - Lancia Beta
Drei Lancia Beta-Coupés Serie 1 - 1300, 1600 und 1800 - trafen sich zum Maria Himmelfahrtstag in der dem Abbruch trotzenden Apollo-Garage im siebten Wiener Gemeindebezirk, um schöne Aufnahmen zu machen. Anlässlich des 54. Salone dell’Automobile di Torino im November 1972 präsentierte Lancia mit dem Beta Berlina die erste Neuentwicklung nach der 1969 erfolgten Übernahme des 1906 gegründeten Unternehmens durch Fiat. Um aus den roten Zahlen zu kommen, gab es nun keine ingenieursgetriebenen Leckerbissen mehr, sondern kosteneffiziente Verwendung von Komponenten aus dem Haus Fiat. Die Entwicklung der Baureihe Beta, Code Y1, begann im Jänner 1970 unter der Leitung von Ing. Sergio Camuffo. Der 4-Zylindermotor mit DOHC basiert grundsätzlich auf dem von Aurelio Lampredi konstruierten Aggregat des Fiat 124 Sport Spider aus 1966, dazumal mit 90 PS aus 1.438 ccm. Für den Fiat 132 wurde der Zylinderblock um 70 mm verlängert, um größere Bohrungen zu erlauben; dieses Konzept gipfelte leistungsmäßig letztendlich im Lancia Delta Integrale. Diese Adaption für den Fiat 132 war dann ziemlich zeitgleich die Grundlage für die Motoren der Betas. In den Augen zeitgenössischer Kunden und Journalisten blieb der Beta jedoch ein „Edelfiat“, der nichts mehr mit den Conaisseurfahrzeugen à la Flavia oder Fulvia gemein hatte. Dann kam noch etwas dazu: die Formgebung der Beta-Limousine, gezeichnet von Gianpaolo Boano, ließ eine Heckklappe erwarten, aber leider, hinter dem eleganten Schrägheck lauerte ein Kofferdeckel und um den Laderaum komplett auszunützen, musste man sich ganz schön bücken; besonders lästig war das dann beim Herausholen der Gepäckstücke aus der tiefen Ladehöhle. Aufgrund der geringen Verkäufe insgesamt tat es gut, die Baureihe zu erweitern. 1973 wurde das Beta Coupé vorgestellt und ab 1974 stand es bei den Händlern, in Österreich erst 1975. Gezeichnet von demselben Pietro Castagnero, der auch das Fulvia Coupé designte, war es ein Hingucker, mit kürzerem Radstand als die Limousine, auch hinten Einzelsitze, ausgewogene Formgebung ohne Experimente mit guter Rundumsicht und ein Fahrwerk für Freude an kurvenreichen Strecken mit nahezu Gokart-Feeling. Scheibenbremsen rundum, fünf Gänge, Seitentürverstrebungen, anfangs als 1592 cm³ mit 109 PS (wie das Agnagno Blaue Coupé 1600 auf den Fotos) oder als 1756 cm³ mit 119 PS (wie das Silbermetallic-Coupé 1800 der Fotostrecke) mit serienmäßigen Alufelgen im Bugatti-Design; dieses Motiv hielt sich mit Abänderungen bis zum Lancia Dedra. Während der ersten Monate waren die Armaturen ockergelb und weiß, was allerdings von zeitgenössischen Testern als schlecht ablesbar kritisiert wurde. So wurde nach den Werksferien 1974 auf weiße Grafik auf schwarzem Hintergrund umgestellt. Aus Kostengründen entfielen bald die Warnleuchten in den Türen und wurden durch Reflektoren ersetzt; das Kühlmittelausgleichsgefäß war statt Metall aus Kunststoff und die Zahnriemenabdeckung aus gelbem Kunststoff. Ab Beginn konnte man ein manuelles Stahlschiebedach, elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Metalliclack und Autoradio in der Aufpreisliste finden, ebenso Lederausstattung. Die Coupés rollten auf 14-Zoll-Rädern 5 ½ J x 14 H2 aus dem Werk, bereift entweder 155/14 oder 175/14, später dann 175/70 14 oder 185/65 14. Bereits 1975 wurde die Motorenpalette geändert: 1585 cm³ mit 100 PS (Beta Coupé 1600) und 1995 cm³ mit 119 PS (Beta Coupé 2000) standen nun zur Wahl, die Motorhauben hatten nun eine breite Erhebung und ein durchgehendes Lüftungsgitter, die Doppelscheinwerfer befanden sich für einige Zeit nun hinter einer achteckigen Glasabdeckung und die Maße der Frontscheibe änderten sich ebenso wie das Layout der Auspuffanlage.
1981 dann erfolgte die letzte Änderung des Erscheinungsbildes: Ein neuer schräg geschnittener Grill im Familydesign des 1979 eingeführten Lancai Delta, neue Stoßstangen, die bis zu den Radausschnitten vorgezogen waren mit breiter Gummieinlage, alle Zierleisten in schwarz-matt, Colorverglasung, beim neuen 2000IE mit 122 PS ein dezenter Heckspoiler, beim ebenfalls neuen 2000VX mit 135 Vergaser-PS und Rootskompressor ein Heckspoiler mit Spoilerecken auf den Kotflügeln und ein massiver Frontspoiler, bei allen Modellen Seitenzierleisten und mattschwarze Wischerarme. Die Version Beta Coupé 1300 verabschiedete sich mit 1981 aus den Preislisten, 1600, 2000, 2000IE und 2000VX hielten bis zum Produktionsende im Sommer 1984 durch. Die Bänder im Werk Chivasso wurden auf den Lancia Thema umgestellt, der ab Herbst 1984 auf die Straßen rollte, nachdem er Weltpremiere in Wien beim Schloss Schönbrunn gefeiert hatte. Als 3. Variante der Beta-Baureihe folgte 1975 der HPE, aufbauend auf der Bodengruppe der Berlina mit langem Radstand, war er nicht so ein Kurvenräuber wie das Coupé, aber mit tatsächlicher Heckklappe ein sehr praktisches Sport-Kombi-Coupé, wie sonst nur der Volvo 1800 ES. Basierend auf einem Entwurf von Pininfarina gab es alle Motorvarianten, ausser 1300. In Österreich waren Beta HPE (HighPerformance Estate, später dann H.P.Executive) gerne als den damaligen Vorschriften entsprechende Fiskal-LKW unterwegs, sprich die rückwärtigen Sitze wurden in umgeklappter Stellung fixiert – unbrauchbar gemacht, besonders für BoutiquenbesitzerInnen ein Highlight! Zumindest solange die ausstellbaren hinteren Seitenfenster dicht blieben, später suchte sich Wasch- und Regenwasser seinen Weg ins Innere, speziell Richtung der hinteren Federbeindome, wo drei Lagen unterschiedliches Blech zusammenkamen und unbemerkt unter Innenverkleidungen und teerartigem Dämmmaterial so verrosteten, dass dann auch schon einmal ein Federbein durch die Heckscheibe krachte. Eine Mähr besagt, dass der HPE nie offiziell nach Österreich gekommen wäre, hätte nicht ein seinerzeitiger Kanzlersekretär mit seinem selbst importierten Wagen für Nachfrage gesorgt. Die 4. Variante stellt der Beta Spider dar, 1974 vorgestellt und in den Varianten 1600, 1800, 2000 und 2000IE – diese nur für USA – verfügbar. Spider 1300 und Spider 2000VX gab es nicht ab Werk, selten auftauchende Spider VX sind „Eigenbau“! Produziert wurde der Spider so: Komplette Coupé-Rohkarosserien fuhren ungeschützt auf Transporter verladen von Chivasso nach Terrazano di Rho zu Zagato, wurden dort in Spider umgearbeitet und genauso ungeschützt wieder zurück nach Chivasso gebracht, wo sie dann Rostschutzbehandlung erfuhren, um dann nochmals nach Terrazano di Rho für die Lackierung und die Innenausstattung zu reisen, um nach der nächsten Überstellung zurück nach Chivasso mit Motor und Technik versehen zu werden. Wenn die Transporte bei trockenem Wetter durchgeführt wurden sehr verschistelt aber OK, italienisch halt. Aber wehe, da kamen Regen und/oder Streiks dazwischen, das war dann gar nicht gut. Erste Serie Spider hatten keine Verstrebung zwischen Targabügel und Frontscheibe, was dazu führte, dass sich manch ein Targadach während der Fahrt verabschiedete. Das kam nicht so gut an bei den Kunden, weshalb dann sehr rasch Versteifungsrohre angebracht wurden, um die Verwindungen der Karosserie zu mindern. Die 5. Variante war eigentlich als Fiat X1/20 schon fast fertig und wurde sozusagen auf den letzten 100 Metern vor dem Ziel 1975 aus Respekt vor der Ölkrise zum Lancia Beta Montecarlo. Ein weiteres Spassmobil bei Fiat neben dem X 1/9 in Zeiten der Krise? Undenkbar, also wanderte die Pininfarina-Kreation zu Lancia! An Details wie Licht-/Blinkerschalter und zahlreichen anderen Schaltern und Ausstattungsdetails erkennt man deutlich die ursprüngliche Bestimmung des Mittelmotor-Coupés mit Heckantrieb. Das Kuckucksei entwickelte sich nicht besonders prächtig, Probleme mit dem Bremskraftregler der ersten Serie führten dazu, dass einige Montecarlos von der Straße quirlten; nach einer schöpferischen Pause von 1978–1979 gab es dann einen zweiten Versuch, der etwas besser gelang. Produktionsende war 1981, letzte Exemplare standen bis etwa 1984 auf Halde. Motorisierung war immer nur 1995 cm³ mit 120 PS. Grundsätzlich kann man sagen: Hat ein Lancia Beta bis heute in gutem Zustand überlebt, so hat er immer gute Pflege erfahren, stand in der Garage, hat einen geringen Recyclingblechanteil in seiner Karosserie und ist bei weiterer pfleglicher Behandlung nicht in Gefahr. Eine Vollrestauration übersteigt in jedem Fall den Wert, auch wenn die Preise kontinuierlich Fahrt aufnehmen. Bei durchgerosteten Federbeindomen Finger weg, da rennen Stunden ohne Ende in die Reparatur. Die Ersatzteilsituation ist dann entspannt, wenn man viel Geduld hat; manche Teile tauchen irgendwo auf dieser Welt auf, aber erst nach Monaten. Und bitte aufpassen: Blinkergläser etwa gibt es von OLSA, CARELLO, SIEM, ALTISSIMO, aber sie sind nicht beliebig austauschbar. Kaum bis gar nicht verfügbar sind Stoffe, weiters hintere Stoßstangen sowie Rückleuchten und Schwellerzierleisten des Beta Spider, Waschwasserbehälter und zweigeteilte Motorhaubengrills erste Serie Coupé/HPE/Spider. Nervig ist die eigenartige Elektrik; wer sich die Art und Weise der Verlegung einmal näher ansieht, fragt sich, wie das jemals durchgehen konnte. Wer ein Freund exakter Zuordnung von Fahrgestellnummer zu Ausrüstungsdetails ist, wird beim Beta leider enttäuscht sein. Hier wurde zum Teil Lagermaterial in die neue Serie verbaut und Kombinationen, die es so eigentlich nicht geben dürfte, rollten tatsächlich so aus Chivasso.
Lancia Beta Coupé 1300, 1600 und 1800 in der Apollo- Garage in Wien
Einige Sätze zur Apollo-Garage.
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