Toyota Corona |
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Geschrieben von Alexander Trimmel | |
Heft bestellen - Toyota Corona
Der Corona-Virus hält die ganze Welt hoffentlich nicht mehr lange in Atem. Die elf Toyota-Corona-Baureihen überdauerten mehr als vier Jahrzehnte (1957-2001). Von Alexander Trimmel
Die Vorgeschichte
Vom Crown zum CoronaToyota besaß wenig Vorkriegserfahrung in der Herstellung von Personenkraftwagen. Unter den 14.787 Fahrzeugen, die man 1940 produzierte, befanden sich nur 268 Pkws, die auf Ford- und GM-Technik basierten, der Rest waren Lkws und Busse. Der Automarkt in Japan der Nachkriegszeit war verschwindend klein. Die drei Statussymbole der japanischen Gesellschaft waren der elektrische Kühlschrank, die Waschmaschine und der Staubsauger. Ein eigenes Auto zu besitzen, für den Durchschnittsjapaner ein weit entfernter Traum.
1. Generation Corona: T10 (1957–1960)Die Taxiindustrie übte Mitte der 1950er-Jahre mit 70 Prozent Anteil den größten Einfluss auf den japanischen PKW-Markt aus. Datsun hatte das inländische Taxisegment fast monopolisiert. Toyota beherrschte mit dem Crown den privaten Oberklassen-Markt, hatte aber kein Modell im Angebot, um die schnell wachsende Nachfrage nach Kleinwagen mit einem Hubraum von weniger als 1.000 ccm befriedigen zu können. Mit Unterstützung von den Kanto Auto Works entwickelte Toyota im Eilzugstempo den „Corona“. Benannt nach dem perlmuttfarbenen Lichtring, der die Sonne umschließt. Dabei griff man hauptsächlich ins Teileregal bestehender Modelle. Den bereits zehn Jahre alten Typ S-Motor, ein auf 33 PS leistungsgesteigerter, seitengesteuerter 995-cm³-Reihenvierzylinder, steuerte der Eintonner-LKW Toyo-Ace, bei. Fahrwerk, Bremsen und Lenkung wurden vom Crown übernommen, die Türen und modifizierte Karosserieteile des alten Toyota Master in die neue, erstmals selbsttragende, viertürige Karosserie hineingebastelt. Im Juli 1957 auf den Markt gebracht, strotzte der neue Corona nur so von Verarbeitungsmängeln. Da man bei Toyota bislang keine Erfahrungen mit Monocoque-Bauweise hatte, krächzte und ächzte die verwindungsfreudige Karosse an jedem Eck und End, Wassereinbrüche zählten zu den Kleinigkeiten. Da nützte es auch nichts, dass man im Zuge eines kleinen Modellwechsels im Oktober 1959 den veralteten S-Motor durch das neu entwickelte, leistungsstärkere Typ P-Aggregat, einem wassergekühlten 4-Zylinder-Reihen-OHV mit 997 ccm und 45 PS, ersetzte. Das rundlich-pummelige Design brachte dem Corona seinen unrühmlichen Spitznamen ein: Er wurde „Dharma“ genannt, nach Japans traditioneller kugelförmiger Glücksbringerpuppe, die alle Wünsche erfüllen können sollte … Diesem Anspruch wurde der erste Corona jedoch bei weitem nicht gerecht.
2. Generation Corona: T20/T30 (1960–1964)Die Ansprüche der japanischen Gesellschaft haben sich von 1955–1960 grundlegend verändert. Statt Kühlschrank, Waschmaschine und Staubsauger galten nun Auto, Farbfernseher und Klimaanlage als Japans neue Statussymbole. Mit dem Design des neuen Corona verabschiedete sich Toyota komplett vom unglücklichen Vorgänger. Gestreckt wirkend, mit einer, die Horizontale betonenden Gürtellinie. Die laut Toyota „… ein Gefühl der linearen Geschwindigkeit ausdrückt“. Die B-Säule war geneigt, um den Hintensitzenden den Einstieg zu erleichtern. Ein Feature, das für den Taxibetrieb wichtig zu sein schien. Bei der Frontgestaltung könnte sich Toyota Anleihen von den großen Simca-Modellen Ariane und Vedette geholt haben. Sogar Design-Papst Pinin Farina soll das Design des Autos lobend erwähnt haben, als er am 6. April 1960 mit weiteren 40.000 Besuchern der offiziellen Vorstellung des Autos am Tokyo Metropolitan Gymnasium in Sendagaya beiwohnte.
2. Generation Corona: Sondermodelle Tokyo Motor Show 1963Am 20. April 1954 fand die erste Tokyo Motor-Show im Hibiya Park statt. 254 japanische Unternehmen stellten insgesamt 267 Kraftfahrzeuge aus. Darunter befanden sich nur 17 Personenkraftwagen. Die meisten Exponate waren Lastwagen und Motorräder. Zehn Jahre später sah das Bild ganz anders aus. Mit dem Wirtschaftsaufschwung veränderte sich auch das Ausstellungsangebot. Sportwagen und Prototypen glänzten um die Wette. Toyota zeigte ein wunderschön gestyltes Toyopet Corona Sports Coupé mit bestechend klarer Linie. Die nach oben breiter werdende C-Säule erinnert an Panhards 24C-Modelle, eine Mitte der Tür beginnende Karosseriesicke läuft im Heck mit einem Schwung nach oben aus. Der 1897 ccm 3R Motor mit zwei SU-Vergasern machte das mit einem 4-Gang-Vollsynchrongetriebe ausgestattete 2+2-Coupé 170 km/h schnell.
3. Generation Corona: T40/T50 (1964–1970)Im September 1964, ein Monat, bevor die Olympischen Sommerspiele in Tokio stattfanden, rollte die Corona der dritten Generation (RT40) in der neuen Motomachi-Fabrik vom Band. Dieses Fahrzeug markierte eine neue Ära, dessen Ziel es war, die Welt zu erobern. Vor allem in den USA erfolgreich zu sein, wo man bisher kläglich scheiterte. Dieser Corona ist der erste Toyota, der weltweit exportiert wurde und errang jenes Leistungs- und Qualitätsniveau, das für den Wettbewerb auf Märkten außerhalb Japans erforderlich war. Obwohl sich Toyota mit dem Design an europäische Vorbilder annäherte, war seine japanische Herkunft eindeutig erkennbar. Als „Arrowline“ (Pfeillinie) wurde die aerodynamische Form der Karosserie in Japan bezeichnet, in der westlichen Welt war er wegen seiner schrägen Schnauze unter der Bezeichnung „shovel nose“ (Schaufelnase) bekannt. Man hatte den Corona rundum vergrößert, vor allem im Innenraum, sodass auch ein Durchschnittseuropäer bequem sitzen konnte. Und komplett ausgestattet, bei günstigem Preis. Das war aber noch nicht alles. Die „Total Quality Control“ (TQC; vollständige Qualitätskontrolle), der sich das komplette Werk verschrieb, wurde zu Toyotas Erfolgsformel. Am 3. und 4. Mai 1963 fand auf der Rennstrecke von Suzuka der erste Große Preis von Japan für Sport- und Grand Tourisme-Wagen statt, den Peter Warr auf Lotus 23 gewann. Angefacht von der Popularität des Motorsports begannen die heimischen Autohersteller Sportmodelle anzubieten: Isuzu Bellett 1600GT (April 1964), Prince Skyline 2000GT (Mai 1964) , Hino Contessa 1300 Coupé (Dezember 1964) und Datsun Bluebird SSS (Mai 1965).
3 ½. Generation: Corona Mark II (1968–1972) T60/T70Den Hauptanteil am Verkaufserfolg steuerte natürlich das „Arrow-Line“-Modell T40 bei. Was wäre denn naheliegender gewesen, als das Erfolgskonzept mit einem ähnlich aussehenden Auto in der oberen Mittelklasse fortzusetzen. Noch dazu als Erzfeind Datsun im April 1968 den viertürigen Laurel ebendort positionierte.
4. Generation: Corona T80/T90 (1970–1973)Nach fünf unglaublichen Erfolgsjahren stellte Toyota im Februar 1970 die vierte Corona-Generation vor. Mit einer komplett neuen, aber klassisch-konservativen Karosserieform. Nur keine Experimente, schien die Devise zu lauten, denn auch bei Motoren und Fahrwerken blieb man dem Konservatismus treu: Man übernahm großteilig die Triebwerke der Vorgängerbaureihe. Im August 1972 wurde sogar ein Zweilitermotor mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung zusätzlich angeboten. Doppelte Dreieckslenker vorne und blattgefederte Starrachse hinten gehörten noch immer zum gewohnten Toyota-Standard. Als Novum galten die Scheibenbremsen vorne. In Österreich wurde der Corona T80 als Toyota 1500 (78 PS) vermarktet: „… als preiswerter Wagen für die Familie, wenn auch mit 145 km/h Spitzengeschwindigkeit nicht gerade familiär langsam.“ (Austro-Motor, 2/71, S. 59) 5. Generation: Corona T100/110/120 (1973–1979)Toyota war 1973 mit 2,3 Millionen produzierten Wagen hinter General Motor und Ford zum drittgrößten Hersteller der Welt aufgestiegen. Mit der im August 1973 präsentierten fünften Auflage des Coronas konzentrierten sich die Toyota-Entwickler speziell auf passive Sicherheitselemente, wie Knautschzonen und stabile Fahrgastzellen. Einige Modelle stattete man sogar mit einem OK-Monitor aus, der sicherheitsrelevante Störungen über elf Anzeigensymbole in einer Dachkonsole meldete. Trotz der Ölkrise 1973 verkauften sich die abermals in der Größe gewachsenen Modelle gut, auch wenn die Konkurrenz aus dem eigenen Land immer stärker wurde. Neben den Hauptkonkurrenten Datsun/Nissan und Mazda drängten Honda und Subaru auf den Markt. Der Frontantriebs-Honda Accord bestach durch seine außerordentlichen Fahreigenschaften, der 1980 in Österreich eingeführte Subaru 1800 4WD trieb mit seinem Boxer-Triebwerk sogar alle vier Räder an. 6. Generation: Corona T130 (1978–1983)In den Dimensionen mit dem Vorgänger fast ident, äußerlich jedoch deutlich „entjapanisiert“, feierte die sechste Auflage des Corona im September 1978 seine Premiere. Die Revolution steckte jedoch unter dem brav, biederen Blechkleid: Fortan übernahmen vorne McPherson-Federbeine anstatt der altmodischen und schweren Dreieckslenker die Kontrolle über die Vorderräder. Auch die hinteren Blattfedern hatten ausgedient. Die starre Hinterachse wurde präzise über Vier-Lenker und Panhardstab geführt. Schraubenfedern sorgten für erhöhten Fahrkomfort. Chromstoßstangen wurden mit schwarzem Polyurethan umhüllt. Ein sportlich aussehender, fünftüriger Liftback erweiterte die Modellpalette.
7. Generation: Corona T140 (1982–1987)Auch beim siebenten Anlauf hielt man beim neu gestylten Corona am Frontmotor-Heckantriebskonzept fest. Er sollte sportlich-keilförmig, dynamisch-kantig wirken. Im Gegensatz zum Opa-mit-Hut-Kleid seiner Vorgänger. In Österreich war der Corona schon 1975 aus den Preislisten verschwunden. Seinen Platz nahm der Carina ein, welcher sich seine Bodengruppe mit dem Celica-Coupé teilte. Die Carina/Celica-Plattform der dritten Generation bildete nun auch die Basis für die neue Corona-Reihe. Das Spitzenmodell „Corona Coupé Hardtop 1800GT-T Turbo“ konnte mit zwei obenliegenden Nockenwellen und Doppelzündung aufwarten. Gab es aber nur am japanischen Markt zu kaufen. Dank Turbolader standen stolze 160 PS zur Verfügung. Da stellte selbst James Bond-Darsteller Roger Moore den Esprit in die Ecke.
8. Generation: Corona T150/T160 (1983–1987)Parallel zum konservativen Heckantriebsmodell erzeugte Toyota den ersten Corona-Fronttriebler, der auf einer verkürzten Camry-Bodengruppe basierte. Man erzeugte die beiden Baureihen gleichzeitig, um die immens große und treue Corona-Kundschaft von Groß- und Familienvätern nicht gleich mit der Vorderradler-Revolution zu überfordern, sondern gemächlich an die neue Technik heranzuführen. Wenn man aber einen Liftback wollte, war man gezwungen, die neue Variante zu wählen. Den gab es nicht als Hinterradler. Es gab den T150 auch in Europa zu kaufen. Da hieß er aber nicht Corona, sondern Carina II. Im Oktober 1986 lief der sechsmillionste Corona vom Band.
9. Generation: Corona T170/T180 (1987–1992)Mit dem Launch der zweiten Corona-Fronttrieblergeneration war der Heckantrieb endgültig Geschichte. Die Benziner-Modelle waren nun allesamt mit 16-Ventil-DOHC-Motoren ausgestattet. Der 1500er leistete 85 PS, der 1800er 105 PS und beim Zweiliter waren es gar 120 PS. Im Mai 1990 feierte man das Jubiläum des 10.000.000sten verkauften Coronas mit einem Sondermodell: Der „Super Roomy“ hatte einen um 210 Millimeter verlängerten Radstand und war auf 500 Stück limitiert erhältlich.
10. Generation: Corona T190 (1992–1998)Die zehnte Auflage des Corona wurde im März 1992 am Genfer Salon vorgestellt. Das Käuferpublikum konnte nur noch zwischen zwei Karosserievarianten wählen: Einer viertürigen Limousine, die es auch mit Allradantrieb gab, und einer fünftürigen Liftback-Version. Dank Vergrößerung in allen Dimensionen, zählte sein Kofferraum zum größten seiner Klasse. In Europa wurde dieses Modell als Carina E angeboten. Gebaut im neu errichteten britischen Werk in Bumaston, nahe Derby. Die Motoren bekamen erneut eine Leistungskur: Der kleine 1600er lieferte immerhin 105 Pferdestärken, die Topmotorisierung bildete ein Zweiliter mit 140 PS.
11. Generation: Corona Premio T210 (1996–2001)Am 12. Jänner 1996 lief die letzte Ausgabe des Corona, mit dem Beinamen „Premio“, vom Stapel. Eine viertürige Limousine, mit denselben Dimensionen und identer Technik des Vorgängermodells. In Sicherheitsbelangen wurde dieses Modell jedoch tiefgreifend hochgerüstet: Antiblockiersystem und Airbags vorne gehörten zur Serienausstattung. Die Fahrgastzelle wurde nachhaltig verstärkt, die energieverzehrenden Knautschzonen nach höchsten Sicherheitszielen, die in Toyotas GOA (Global Outstanding Assessment) festgelegt sind, konstruiert. Mit diesem Programm hat sich Toyota den höchsten Ansprüchen bezüglich passiver Sicherheit verschrieben. Obwohl die T-Chassis-Nomenklatur der Corona-Reihen weiter beibehalten wurde, verschwand der Name „Corona“ nach 44 erfolgreichen Jahren 2001 aus den Toyota-Büchern. Das Modell Avensis durfte von nun an dieses geschichtsträchtige „T“ weiterverwenden, das Toyota mit einem unscheinbaren Modell vom kleinen nationalen Player zur automobilen Weltmacht emporsteigen ließ.
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