Alpenvespa |
Geschrieben von Hannes Denzel | |
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Lohners L 98, der erste österreichische Großserienroller Ist Kamel genannt zu werden eine Beleidigung? Von ihrem Aussehen abgesehen, haben diese Tiere ja viele nützliche Eigenschaften, sind genügsam, ausdauernd, tragkräftig … Beleidigung oder nicht, als Kamel bezeichnet zu werden, ist jedenfalls immer noch besser, als mit einem Trampeltier verglichen zu werden, meinen wir. Wie kam das Wüstentier in unsere Alpenrepublik? Begonnen hatte es so: Im Jänner 1949 wurde Ing. Otto Kauba mit der Skizze eines von ihm entworfenen Motorrollers bei der Lohner Karosserie- und Waggonbau GesmbH in Wien XXI vorstellig. Kauba war zwar zuletzt im Flugzeugbau tätig, hatte aber Erfahrung mit Zweirädern: Bis Kriegsausbruch war er bei Steyr Daimler Puch angestellt, und natürlich war ihm nicht entgangen, was in Italien bei Piaggio (Vespa) und Innocenti (Lambretta) vor sich ging. Kaubas Entwurf kupferte die aber nicht bloß ab, sondern nahm Rücksicht auf die sozialen Umstände des noch immer an den Nachkriegswehen leidenden Österreich. Sein Roller sollte deshalb möglichst günstig herzustellen und somit für nahezu jedermann leistbar sein. „Günstig“ war auch die Vorgabe bezüglich Unterhalt, außerdem sollte er einfach in der Bedienung als auch in der Wartung sein, und er sollte soviel Spritzschutz bieten, dass er als Ersatz für ein (damals unleistbares) Auto dienen und in normaler Alltagskleidung benutzt werden könnte. Bei Dipl.-Ing. Richard Lohner – dem geschäftsführenden Gesellschafter der Lohnerwerke, die zu der Zeit ihr Hauptstandbein in der Herstellung von Straßenbahnen hatten – rannte er mit der Idee eines Verkehrsmittels für „Jedermann und Jederfrau“ offene Türen ein, und so dauerte es nur vier Monate, bis Prototypen erste Rollversuche unternahmen. Als Antrieb hatten Kauba und Lohner den bewährten Fichtel & Sachs-Zweigangmotor gewählt, einen Nasenkolben-Zweitakter mit 98 ccm Hubraum, der schon in den 30er-Jahren von vielen Herstellern für ihre Kleinmotorräder verwendet worden war. Dieser Motor – weil er auch als Stationärmotor Anwendung finden sollte, war mit einem Seilzugstarter ausgestattet – wurde als Rotax im oberösterreichischen Gunskirchen gebaut, wohin F&S Schweinfurt ihre Produktion im Krieg ausgelagert hatten. Der Motor war mit einer Leistung von 2,5 PS (bei 3500 Umdrehungen) kräftig genug, um auch zwei Personen fortzubewegen, und sollte also auch in dem „neuen Verkehrsmittel“ zum Einsatz kommen. (1959 sollte Lohner ja dann die Aktienmehrheit bei Rotax übernehmen.) „Zwei Personen“ war auch die Vorgabe, wegen der Kauba seinen ursprünglichen Entwurf noch einmal überarbeiten musste – soweit, dass dabei ein völlig neues Fahrzeug herauskam. Hatte der erste einsitzige Protoyp einen herkömmlichen Rohrrahmen und ließ den Motor zur besseren Kühlung unverhüllt, so überraschte die Neuüberarbeitung mit einer selbsttragenden Karosserie, die den kompletten Antrieb samt Hinterrad Und Benzintank umschloss, seitlich über zwei Öffnungen aber Zugang für kleinere Reparaturen gewährte. Auch über eine Vorderradfederung verfügte der Neuling, die dem Prototypen noch gefehlt hatte. In dieser Form wurde der grasgrüne Laubfrosch im Jänner 1950 von Dipl.-Ing. Richard Lohner der Öffentlichkeit vorgestellt, und so gelangte er ab 13. April desselben Jahres in den Handel. Noch immer einsitzig zwar, aber mit der Option, einen zweiten Sitz samt Fußrasten nachzurüsten; die Typisierung dafür hatte Lohner rechtzeitig erlangen können. Unser erstes Fotomodell ist noch als Einsitzer ausgerüstet, gehört aber bereits zur zweiten Serie, die im Jahr 1951 auf den Markt kam. Sie unterscheidet sich vom Urmodell deutlich erkennbar durch den Blechtunnel vorn an der Schürze, auf dem das Firmenemblem und eine elektrische Hupe angebracht sind. Weitere Neuerungen sind aber auch der Ika Tacho im Scheinwerfergehäuse, eine verstärkte Gabel und der unverkleidete Lenker. Diese zweite Serie konnte man wahlweise auch in Grau, Beige und Bordeauxrot ordern. Verbessert worden waren aber auch die Bremsen, die Vorderradfederung durch eine gezogene Kurzschwinge und andere Details. Entwickelt hatte den L 98 T Ing. Steininger, nachdem Ing. Kauba Lohner bereits im Jänner 1951 verlassen hatte, um „sein Ding zu machen“ (das „Ding“ hieß „Kosty“ und kam nie so richtig ins Laufen, nur etwas über zwei Dutzend davon dürfte Kauba gebaut haben). Wer sich näher für Lohner und andere österreichische Roller – in dem Fall speziell der Schnapsglasgattung mit 50 Kubik Motoren – interessiert, sei auf die zweibändige Buchreihe „Mopedroller aus Österreich“ aus dem Verlag Hollinek verwiesen. Während der erste Band sich mit den 50er-Jahren beschäftigt, wechselt der zweite Band ins Österreich der 1960er- und 1970er-Jahre.
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