Rolls Royce Silver Ghost |
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Geschrieben von Wolfgang M. Buchta | |
Heft bestellen - Von silbernen Geistern und Beradlern Als sich ein gewisser Henry Royce im Jahre 1903 einen gebrauchten Decauville kauft und damit nicht wirklich zufrieden war, sollte dieses bemerkenswerte Folgen haben. Wolfgang M. Buchta skizziert die Jugendjahre der Marke Rolls-Royce. Bald darauf verlor James Royce seinen Job und die Familie zog nach London, wo die Situation nicht viel besser war. Bereits im zarten Alter von 9 Jahren musste Henry als Zeitungsjunge und später Telegrafenbote zum Familieneinkommen beitragen. Mit 15 begann er (dank der finanziellen Hilfe einer Tante) eine Lehre bei der “Great Northern Railway”. Nach drei Jahren musste Henry die Lehre aus finanziellen Gründen wieder abbrechen und wechselte zur “Electrical Light & Power Company” - eine interessante Parallele zur Kariere von Ferdinand Porsche. Im Alter von nur 21 Jahren fühlte sich Henry Royce reif für die Selbstständigkeit und begründete zusammen mit einem Freund in Manchester die Firma “Royce & Company”, welche die Fertigung von elektrischen Schaltern und Fassungen aufnahm. Vor allem durch verbesserte Elektromotore ging es mit der Firma aufwärts, die 1894 als “Royce Limited, Electrical & Mechanical Engineers and Manufacturers of Dynamos, Motors and Kindred Articles” ins Handelsregister eingetragen wurde. Bereits 1893 hatte Royce seine Frau Minnie geheiratet, eine Ehe, die unter Henrys Arbeitswut leiden sollte und wohl auch deshalb kinderlos blieb. Kommerziell ging es weiter aufwärts. Die Royce Ltd. nahm die Produktion von elektrischen Kränen auf. Royce prägte den Satz “The quality will remain when the price is forgotten” (“Die Qualität bleibt bestehen, wenn der Preis schon vergessen ist”). Die Produkte waren teuer, aber kompromisslos gut - eine Philosophie welche die Kunden offensichtlich honorierten. Dank des erworbenen Wohlstandes und auch aus technischem Interesse erwarb Henry Royce bereits früh ein De Dion Bouton Quadricyle und 1903 das oben erwähnte Automobil der Marke Decauville. Der Zweizylinder stellte Mr. Royce allerdings gar nicht zufrieden. Der Wagen sprang schwer an, der Motor war laut und das ganze Fahrzeug wurde von Vibrationen durchgeschüttelt. Die technischen Fähigkeiten hatte er, ebenso wie die Möglichkeiten, so begann Royce mit Konstruktion und Bau eines eigenen Autos. Der Wagen war keine technisch bahnbrechende Konstruktion, sondern orientierte sich am Decauville. Allerdings hatte Royce alle Schwachstellen konsequent behoben - modifizierte Vergaser, optimierte Schmierung und natürlich die besten Materialien mit minimalsten Toleranzen verarbeitet. Die erste Probefahrt führte der Zweizylinder von 1,8 Liter Hubraum und 10 PS am 1. April 1904 von der Fabrik zum Wohnhaus durch - die 13 km lange Strecke wurde problemlos zurückgelegt. Die drei gebauten Exemplare blieben sozusagen “in der Familie”. Einen behielt Royce selbst, einen sein Partner und Schwager E.A. Claremont und den dritten ein Gesellschafter der Royce Ltd. Dieser sollte bereits zwei Wochen später bei einer Testfahrt des Automobile Club of Great Britain einen zweiten Platz erringen - der erste “motorsportliche” Erfolg der jungen Marke. Wichtiger als der Erfolg war sicherlich, dass ein gewisser Charles S. Rolls anlässlich dieser Fahrt den Wagen kennen und schätzen gelernt hatte. Charles Rolls stammte aus einer begüterten Familie und betrieb, zusammen mit seinem Partner Claude Johnson, die Firma “C.S. Rolls and Co., Motor Agents”. Am 4. Mai 1904 trafen sich Rolls und Royce im Midland Hotel in Manchester und kamen zu einer folgenschweren Vereinbarung: Die Royce Ltd. sollte Rolls and Co. exklusiv mit einer ganzen Palette von Fahrzeugen beliefern. Für die neuen Baureihen tauchte erstmals der charakteristische Kühler auf, der bis heute die Wagen der Marke ziert. Auch ein neues Verkaufslokal in London wurde erworben - 14 & 15 Conduit Street - eine Adresse an der Rolls-Royce lange Zeit bleiben sollte Kommerziell war die junge Marke erfolgreich - in den Jahren 1904 bis 1906 wurden in Summe knapp 100 Exemplare verkauft, wobei auffällt, dass drei Viertel der Stückzahl auf die beiden großen Modelle entfielen. Der Erfolg war kein Zufall. Die junge Firma, und da vor allem Claude G. Johnson, der Partner von Charles Rolls, verstand es, eifrig die Werbetrommel zu rühren. Claude Johnson war der erste Sekretär des Automobile Club of Great Britain und wusste um die Werbewirkung des Motorsports. So trat etwa 1906 Charles Rolls mit einem 20 HP bei der Tourist Trophy an und konnte den Sieg erringen. Claude Johnson war auch die treibende Kraft hinter einem neuen Modell mit V-8- Motor, der 1905 auf den Markt kam. Der Wagen trug die Typenbezeichnung “Legalimit” und sollte vom Geräuschpegel und vom Komfort an einen Elektrowagen herankommen. Eine komplizierte Getriebekonstruktion begrenzte die Maximalgeschwindigkeit auf 20 Meilen, die zu dieser Zeit in Großbritannien erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Wenig verwunderlich, dass von diesem absurden Modell binnen zwei Jahren nur drei Exemplare abgesetzt wurden. Aber der Verkauf der anderen Modelle lief so gut, dass die Produktion nicht nachkam. Die Räumlichkeiten in Manchester waren so beengt, dass nicht einmal Henry Royce ein eigenes Büro hatte - eine Übersiedlung war unvermeidlich. Dank einer Kapitalerhöhung und der tatkräftigen Unterstützung der Stadt Derby entstand in den Jahre 1906 bis 1907 die modernste Automobilfabrik Großbritanniens mit einer eigenen Teststrecke. Für die Motor Show im November 1906 konnte Rolls-Royce ein neues Modell, den 40/50 HP, präsentieren. Die “40” steht für die englischen Steuer-PS und die “50” für die ungefähre Motorleistung des Wagens, der ausschließlich als sogenanntes “Running Chassis”, also als fahrbereites Chassis ohne Aufbau, angeboten wurde. Bis in die Zwischenkriegszeit war es üblich, dass der Käufer ein Chassis erwarb und dieses von einem Karosseriebauer seiner Wahl einkleiden ließ. Das neue Modell hatte, wie sein Vorgänger, einen Sechszylindermotor, der allerdings eine komplette Neukonstruktion war. Das Triebwerk von 7.036 ccm Hubraum war in zwei Zylinderblöcke zu drei Zylinder geteilt. Die Zylinderköpfe waren nicht abnehmbar - aus heutiger Sicht eine archaische Konstruktion, aber im Jahre 1906 sehr fortschrittlich, da die Dichtung zwischen Block und Kopf häufig Probleme machte. Natürlich ist der Motor aus den besten Materialien und mit den geringst möglichen Toleranzen gefertigt. Die Kurbelwelle ist siebenfach gelagert und die Lager sind doppelt so stark dimensioniert wie beim Vorgänger. Die Nockenwelle wird statt einer Steuerkette durch Zahnräder angetrieben und für den Ölkreislauf sorgt eine leistungsfähige Pumpe. Der Vergaser, natürlich von Henry Royce konstruiert, und aus eigener Fertigung, sorgt für optimale Gemischaufbereitung und eine Doppelzündung (Batterie und Magnet) für die zuverlässige Verbrennung. Die beiden Zündmethoden konnten wahlweise verwendet werden - Starten mit der Batterie und danach umschalten auf den Magnet, um die Batterie zu schonen, war ein übliches Prozedere. Wurde der Motor belastet, so wurde die Verwendung beider Zündungen empfohlen. Erst 1919 bekam der Wagen eine Lichtmaschine, womit die Sorge um die Batterie wegfiel. Ein komplizierter, mechanischer Drehzahlbegrenzer verhinderte ein Überdrehen des Motors im Leerlauf. Über eine Lederkonuskupplung wird die Kraft auf ein Vierganggetriebe übertragen, dessen dritter Gang direkt übersetzt ist. Der vierte Gang der ersten Baujahre ist als Overdrive, genannt “Sprint Gear”, ausgelegt. Dieses Getriebe sollte nur kurz Verwendung finden. Aus einem recht skurrilen Grund wurde es 1909 durch ein Dreiganggetriebe ersetzt. In der Frühzeit des Automobils machten die Hersteller massiv mit den Fahrleistungen im höchsten Gang Werbung. Langstreckenfahrten und Fahrten über Steigungen im direkten Gang wurden kräftig publiziert. Und hier war Rolls-Royce gegenüber seinem Hauptkonkurrenten Napier im Nachteil. Steigungen, die der Napier im vierten Gang schaffte, konnte der Rolls-Royce oft nur im dritten befahren. Warum? Beim Napier war die Vierte direkt übersetzt, beim Rolls-Royce der Dritte, der Vierte war ein Overdrive. Diese Details konnten aber der Öffentlichkeit nicht vermittels werden, so wurde das - technisch fortschrittlichere Vierganggetriebe - durch ein Dreiganggetriebe ersetzt. Die Techniker hatten sich den Marketing Leuten gebeugt. Das Chassis des 40/50 HP war qualitativ hochwertig und konventionell. Zuerst wurden vorne und hinten halbelliptische Federn verwendet, die 1908 an der Hinterachse durch dreiviertel-elliptische Federn ersetzt wurden. Ab 1912 wurde nur mehr eine Kantileverfederung verwendet. Für die Motor Show 1906 hatte Rolls-Royce gerade geschafft zwei Exemplare des neuen Modells fertig zu stellen. Aber Claude Johnson war fest überzeugt, dass dieser Wagen ein Erfolg werden würde. 1907 begann er mit seiner typischen Energie und Gründlichkeit für den 40/50 HP die Werbetrommel zu rühren. Neben vielen Terminen mit (Motor-)Journalisten und zahlreichen Inseraten gehörten dazu natürlich sportliche Einsätze. Das 13. Chassis wurde mit einer offenen Tourenwagen-Karosserie versehen, silberfarben lackiert und alle Beschläge wurden versilbert. Da zu dieser Zeit individuelle Namen von Automobilen noch üblich waren, erhielt dieser Wagen ein hübsches Schild mit den Namen “The Silver Ghost”. Zunächst war dies nur der Name dieses einzelnen Typ 40/50 HP und erst als das Nachfolgemodell, der “New Phantom” auf den Markt kam, wurde der Typ 40/50 HP retrospektiv als “Silver Ghost” bezeichnet. Heute werden alle Fahrzeuge dieses Typs unterschiedslos als “Silver Ghost” bezeichnet. Als erstes wurde der Silver Ghost unter Beobachtung des RAC auf eine Langstreckenfahrt über 2.000 Meilen geschickt. Im Zuge dessen fuhr der Wagen von Bexhill (an der Südküste) nach Glasgow - nur im dritten und vierten Gang. Anschließend wurde der Wagen zerlegt, und die Techniker des RAC konnten keinerlei Abnutzungen feststellen. Anschließend, mittlerweilen gut eingefahren, nahm der Silver Ghost am Scottish Trial teil. Danach war der Wagen nonstop, Tag und Nacht außer am Sonntag, zwischen London und Glasgow unterwegs, bis 15.000 Meilen zurückgelegt waren. Fast hätte der Silver Ghost die 15.000 Meilen tatsächlich ohne unfreiwilligen Stop geschafft, wenn nicht nach nur 629 Meilen die Benzinzufuhr plötzlich unterbrochen worden wäre. Bis heute ist umstritten - war es ein Defekt im Absperrhahn, ein Schmutzpartikel oder hatte ihn jemand irrtümlich abgeschaltet? Wie auch immer - nach wenigen Minuten war der Silver Ghost wieder flott, nur der Nonstop-Rekord blieb bei 14.371 Meilen. Anschließend wurde der Silver Ghost wiederum zerlegt und überprüft. Außer leichte Abnutzungen an Lenkung und Wasserpumpe befand der RAC alle Teile für neuwertig. Obwohl noch durchaus brauchbar, wurden die Teile ersetzt, was die vernachlässigbare Summe von 2 Pfund 2 Shilling und 7 Pence kostete. Auch die Kosten für Benzin und für Reifen waren, verglichen mit manchen Konkurrenten, erstaunlich gering. Am 9. Juli 1908 wurde endlich die neue Fabrik in Derby eröffnet, und zwar durch keinen Geringeren als Lord Montagu of Beaulieu. Die Produktion der anderen Modelle war mittlerweilen eingestellt worden und endlich konnten genügend Fahrzeuge gefertigt werden, um die Nachfrage zu befriedigen. Versuchsweise versah Henry Royce einen Motor des Silver Ghost mit obenliegender Nockenwelle, wodurch die Leistung auf etwa 70 PS gesteigert wurde. Mit diesem Motor entstanden nur vier Fahrzeuge. Auf der Motor Show 1908 wurde der Typ zwar als Rolls-Royce Silver Rogue vorgestellt, allerdings wurde keines der vier Exemplare verkauft. Drei wurden als Test resp. Wettbewerbsfahrzeuge verwendet und das vierte wurde für Charles Rolls mit zweisitzigem Aufbau versehen und diente als Ballontransportwagen und als Zugfahrzeug für sein Flugzeug. Seit Charles Rolls in den USA die Gebrüder Wright kennen gelernt hatte war seine Begeisterung für die Fliegerei erwacht. Er erwarb einen Wright Flyer und war damit der erste, der den Ärmelkanal in beide Richtungen überflog. Juli 1910 kam Charles Rolls beim Absturz seines Flugzeugs in Bournemouth ums Leben. Gleichzeitig verschlechterte sich die Gesundheit von Henry Royce zusehends und Claude Johnson musste eine Organisationsstruktur finden, um den Firmengründer und Chefingenieur zu schonen. Henry Royce zog sich aus dem Tagesgeschäft zurück, bereiste Ägypten und baute sich eine Villa an der Cote d’Azur. Die Sommer verbrachte er in Kent bzw. ab 1917 in Sussex und die Winter in Südfrankreich - in beiden Häusern hatte er ein Konstruktionsbüro und konnte so von zu Hause aus arbeiten. 1910 hatten ihm die Ärzte drei Monate gegeben, dank einer schweren Operation und der fürsorglichen Maßnahmen lebte Henry Royce, später Sir Henry, noch lange Jahre bis 1933. Für neue Modelle fehlten sowohl die finanziellen Mittel als auch die Entwicklungskapazitäten. Daher sollte es für die nächsten 15 Jahre bei einer stark eingeschränkten Modell-Palette bleiben. Trotz aller Probleme, Rolls-Royce blieb im Motorsport aktiv. Im Jahre 1911 trat ein fast serienmäßiger Silver Ghost gegen einen Napier an. Unter Aufsicht des RAC führte der Weg zuerst von London nach Edinburgh, natürlich im höchsten Gang, und danach standen einige gezeitete Runden in Brooklands am Programm. Sowohl beim Stundenschnitt als auch beim Benzinverbrauch wurde der Napier überzeugend geschlagen. Ein Jahr später war der London-Edinburgh-Wagen wieder in Brooklands. Mit einer längereren Hinterachsübersetzung und einer stromlinienförmigen Karosserie erreichte der Wagen über eine Viertelmeile eine Geschwindigkeit von 101 Meilen (163 km/h). Der Rekordwagen (natürlich ohne die Stromlinienkarosserie) war in kleiner Stückzahl für Kunden erhältlich. Diese Modelle gehören zu den gesuchtesten frühen Silver Ghosts. Im Jahre 1912 blamierte sich Rolls-Royce bei der Alpenfahrt, als ein Silver Ghost am Katschberg erst anfahren konnte, als der Beifahrer ausgestiegen war. Schuld daran waren die für britische Verhältnisse große Seehöhe von mehr als 600 Meter und das Dreiganggetriebe. Dieses Getriebe wurde zunächst in den Typ “Continental” eingebaut, der auch als “Alpine Eagle” bekannt wurde. In der Nachkriegszeit fand es serienmäßig in allen Silver Ghosts Verwendung. Auch aus Spanien gab es Erfolge zu vermelden. Der Repräsentant von Rolls-Royce in Spanien, Don Carlos de Salamanca, konnte den Großen Preis von Spanien auf einer Gebirgsstrecke bei Guadarrama für sich entscheiden. Ein Silver Ghost Werkswagen kam auf den dritten Platz. Die Werbewirkung auf der Iberischen Halbinsel konnte nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mit diesem Erfolg allerdings beendete das Werk sein motorsportliches Engagement - schließlich, so die Begründung, war der Silver Ghost ja kein Sportwagen. Als James Radley 1914 wieder bei der Alpenfahrt erfolgreich war, war er dies bereits als Privatfahrer. Die Kundenliste von Rolls-Royce las sich wie das “Who is Who”. Zar Nicholaus II. hatte einen Silver Ghost, der König von Ägypten ebenfalls, und für die Maharadschas Indiens gehörte ein (oder meist mehrere) Silver Ghost zum standesgemäßen Fuhrpark. Nur die höchste Ehrung für eine englische Firma blieb Rolls-Royce versagt - die königliche Familie blieb der Marke Daimler treu und Rolls-Royce wurde nicht zum Hoflieferanten geadelt. Aber ab August 1914 hatten Claude Johnson und Rolls-Royce ohnedies andere Sorgen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war der Markt für Luxusautomobile verschwunden. Glücklicherweise war auch die britische Admiralität auf die Qualität des Silver Ghost aufmerksam geworden. Das Chassis des Silver Ghost erhielt hinten Zwillingsräder und wurde mit einem gepanzerten Aufbau versehen. Im Drehturm war ein Vickers-Maschinengewehr installiert und bald wurden die Rolls-Royce Armoured Cars auf allen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Zu besonderer Berühmtheit kamen sie durch Oberstleutnant Thomas E. Lawrence, bekannt als “Lawrence von Arabien”, der einige dieser bis zu 4 Tonnen schweren Fahrzeuge höchst erfolgreich gegen die Türken einsetzte. Lawrence war es auch, der die Panzerwagen in seinem Buch “Die sieben Säulen der Weisheit” in der Weltliteratur verewigte. Die Armoured Cars blieben noch lange im Einsatz, die letzten wurden erst 1956(!) in Irland ausgemustert. Noch profitabler sollte für Rolls-Royce die Produktion von Flugzeugmotoren werden, die kurz nach Kriegsbeginn 1914 aufgenommen wurde. Im Laufe der Jahre und zwei großer Kriege später wurde Rolls-Royce, mit wechselndem finanziellem Erfolg, zu einem der größten Flugmotoren- und -triebwerksbauer der Welt. Die Automobilproduktion war eigentlich, kommerziell gesehen, nur mehr ein Anhängsel. Nach Ende des Ersten Weltkriegs baute Rolls-Royce wiederum Silver Ghosts für den zivilen Markt, die allerdings durch Inflation und steigende Lohnkosten, im Gegensatz zu manchen Großserienautos, nicht billiger wurden. Hatte das Chassis vor dem Krieg noch 985 Pfund gekostet, so stieg der Preis allein im Laufe des Jahres 1919 von 1.350 auf 1.850 Pfund. Aber auch eine technische Weiterentwicklung hatte stattgefunden. Ein elektrischer Anlasser, verbesserte Federung und erstmals Vorderradbremsen gehörten jetzt zur Serienausstattung. Durch die jetzt hohen Pedalkräfte und angeregt durch eine Konstruktion von Hispano-Suiza entwarf Henry Royce ein Servogerät, das nur mehr geringen Aufwand zum Bremsen erforderte. Bei allem Stolz der Firma auf den Silver Ghost war das Modell mittlerweilen fast 20 Jahre alt geworden und hinter den Kulissen hatte längst die Entwicklung neuer Modelle begonnen. Einerseits entstand ein “kleiner” Rolls-Royce, der 20 HP, andererseits ein echtes Nachfolgemodell, der “New Phantom”, eine Baureihe die sich, zumindest vom Namen her, bis heute fortsetzen sollte. 1925 wurde die Produktion des Silver Ghost im Derby eingestellt, nachdem seit 1906 exakt 6.173 Fahrzeuge produziert worden waren. In Springfield, Massachusetts, sollte der Silver Ghost noch bis 1926 weiter produziert werden. Am Anfang waren die USA für Rolls-Royce als Markt von geringer Bedeutung. In den Jahren 1906 bis 1910 wurden nur 81 Exemplare ausgeliefert. Mit einer USA-Reise von Claude Johnson sollte sich das Bild ändern. Johnson feuerte den bisherigen Importeur und baute eine komplett neue Vertriebsorganisation auf. Während des Weltkriegs wurden weitere Beziehungen aufgebaut, da in den USA mit technischer Unterstützung von Rolls-Royce Flugmotoren gebaut wurden. Im Oktober 1919 wurde “Rolls-Royce of America” als eigenständige Aktiengesellschaft gegründet. Das Stammkapital stammte dabei aus Amerika, da in der Nachkriegszeit der Kapitalexport sehr restriktiv gehandhabt wurde - ein Kanadier und zwei Banker aus New York waren die Hauptaktionäre. Um die hohen Importzölle zu umgehen (und wohl auch aus logistischen Gründen), wurde eine eigenständige Produktion in den Staaten beschlossen. In Springfield, einer traditionellen Industriestadt, entstand eine Fabrik. Bereits 1920 verließ der erste Silver Ghost, natürlich streng nach den Vorgaben und Patenten des Stammwerks in England gefertigt, das amerikanische Zweigwerk. Die ersten “amerikanischen Ghosts” waren identisch zu den englischen, aber nach und nach wurden die britischen Teile (Elektrik, Reifen, ...) durch amerikanische Produkte ersetzt. Bald wurden auch linksgesteuerte Ghosts für den amerikanischen Markt produziert. In Springfield entstanden, so wie in Derby, nur fahrfähigeChassis, die von den besten Karosseriebauern mit Aufbauten versehen wurden. Einer dieser “Coachbuilders” war die Firma Brewster in New York. Als diese Mitte der 20er Jahre in finanzielle Probleme schlitterte, konnte Rolls-Royce of America den Karosseriebauer per 1. Jänner 1929 übernehmen. Die Umstellung auf das Nachfolgemodell, den New Phantom, gestaltete sich in Springfield schwierig (Linkslenkung, 12 V Elektrik, ...) so hatte der Silver Ghost noch eine Schonfrist und im letzten Jahr, 1926, wurden noch einmal rund 300 Fahrzeuge produziert, ehe auch in den USA die Produktion des “Best car in the World” eingestellt wurde. “Das beste Automobil der Welt” - vielleicht, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall war mit dem Silver Ghost ein Mythos geboren, der bis heute weiterlebt. Spirit of Ecstasy Die Autos von Rolls-Royce sind untrennbar mit der berühmtesten Kühlerfigur der Automobilgeschichte verbunden. Diese Figur heißt offiziell “The Spirit of Ecstasy” und wird auch, weniger respektvoll, “Silver Lady” oder “Emily” genannt. Aber diese Figur war nicht immer am klassischen Kühler angebracht. Die ersten Rolls-Royce hatten keine Kühlerfigur, oder besser gesagt, wenn sie eine hatten, dann die, die ihnen der jeweilige Besitzer verpasst hatte. Die Kühlerfiguren spiegelten also nicht die Eleganz und das Flair der Marke wieder, sondern den - mehr oder weniger guten - Geschmack des Besitzers. Eine Situation die Claude Johnson ob der vielen verwendeten Scheußlichkeiten nicht wirklich befriedigen konnte. So kommt der englische Maler und Bildhauer Charles Sykes in unsere Geschichte. Als er 1911 erstmals Gelegenheit hatte, mit einem Silver Ghost zu fahren, war er derart beeindruckt, dass er der Legende nach sofort in sein Studio geeilt sein soll, um mit dem Entwurf für eine Kühlerfigur zu beginnen. Als Modell für die Kühlerfigur diente Charles Sykes mit großer Wahrscheinlichkeit eine junge Dame aus dem ländlichen Hampshire namens Eleanore Thornton, deren Züge die Experten in der Figur erkennen wollen. Der erste Rolls-Royce mit “The Spirit of Ecstasy” am Kühler war im englischen Hampshire registriert, hatte das Kennzeichen AA 19 und war auf John, Lord Montagu of Beaulieu zugelassen. Richtig, das war der Vater des heutigen Lord Montagu, dem Begründer des National Motor Museum in Beaulieu. Und, wiederum richtig: Miss Eleanor Thornton war die Sekretärin (und vielleicht sogar etwas mehr) seiner Lordschaft. Miss Thornton sollte den großen Erfolg “ihrer” Kühlerfigur leider nicht mehr erleben. 1915 reiste sie mit Ihrem Arbeitgeber nach Indien und auf der Rückreise wurde ihr Schiff, die “S.S. Persia” bei Kreta torpediert und sank. Lord Montagu wurde nach neun Tage gerettet, Miss Thornton blieb verschollen. In der Pfarrkirche von Beaulieu gedenkt eine Tafel ihrer. Wen auch immer die Kühlerfigur jetzt wirklich darstellt. Sie gefiel Claude Johnson so gut, dass diese Kühlerfigur zuerst 1911 “um ein paar Pfund” als Zubehör angeboten wurde und ab 1921 serienmäßig auf jedem Rolls-Royce angebracht war. Seit dieser Zeit wird jeder Rolls Royce durch den “Spirit of Ecstasy”geadelt - bis zum heutigen Tag. |
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